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Das Zimmermädchen [FSK18]

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Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Intermezzo 2, Episode 2

von Alina am 12.06.2021 12:40

Cincinnati, Ohio
11. Dezember 1941, Donnerstag


Soundtrack für diese Episode: Louis Prima - I'll Be Seeing You
 
 
 Am frühen Abend, etwa zur selben Zeit, geht Mr. Evans zur Hausbar seines Hauses und giesst sich einen Whiskey ein. Er hatte heute einige Stunden gearbeitet, im Büro hier im Haus aber auch ausserhalb, um Zeugen zu befragen. Nun hat er Feierabend und zur gleichen Zeit aber auch nicht. Er trinkt und seufzt wohlig als sich der gute Tropfen wohlig warm in seinem Körper ausbreitet. Dann schaut er aus dem Fenster. Die Sonne war schon untergegangen, bald war wieder Weihnachten.

Er kocht sich ein Süppchen in der eher kleinen Küche, als Junggeselle ging er sowieso lieber ausserhalb essen wenn es sich anbot. Heute war er jedoch schon zuhause und er will sich nicht länger mit dem Essen aufhalten als nötig. Droben unter dem Dach wartet noch Arbeit.

Etwa eine halbe Stunde später sitzt Robert, meist von allen nur Rob genannt, an seinem Schreibtisch und blättert einen Stapel Zeitungen durch. Diese Zeitungen kamen aus allen Ecken Amerikas zu ihm, er liess sie sich schicken. Und nicht nur er, nein – auch ein Mitarbeiter vom ihm las Zeitungen und zwar die aus dem Mittleren Westen. Er selbst las fast alles was an der Ostküste publiziert wurde und die Zeitungen aus den ehemaligen Südstaaten teilten sich Rob und sein Kollege Henry. Beide teilten sich die ebenfalls die Agentur, obwohl Robert der grössere Anteilseigner war.

Einmal pro Woche fährt Rob die alten Zeitungen zur Müllhalde, es ist immer ein schöner Stapel. Erst dann wird ihm bewusst, was die Postbosten seinetwegen jährlich tragen müssen und deshalb dürfen sich immer über ein fürstliches Weihnachtstrinkgeld freuen. Manche Zeitungen holt er auch einmal pro Woche stapelweise aus der Stadt ab, sie wurden ihm zurückgelegt.

Den Kopf auf die Hand aufgestützt denkt Rob nach. Dieser Fall war etwas Besonderes. Es war nicht das erste Mal, dass er der Polizei nicht genügend traute den Fall allein zu lösen. Die Polizei war an diesem Fall dran, aber sie hatten keine Chance. Sie hatten einige Spuren gefunden und diese Spuren machten auch einen Teil seines Fundus an Spuren aus. Aber sie hatten erst vor kurzer Zeit angefangen bundesweit zu ermitteln. Das FBI hatte seines Wissens nach noch keine Ahnung von der tatsächlichen Dimension dieses Falles und die lokalen Behörden besassen nicht die Möglichkeiten, eine Täterin landesweit zu verfolgen, Spuren zu sichern und Querverbindungen zu ziehen.
Der pfiffigste Detective war sicher der gewesen, welcher die erste Verbindung zwischen dem Todesfall in Baltimore und dem vermeintlichen Selbstmord in einem New Yorker Hotel gezogen hatte. Auf die Theorie dass diese beiden Todesfälle – oder vielleicht Morde – in Verbindung standen, darauf stützte sich auch seine Agentur.

In dem nicht allzugrossen Büro unter dem Dach recherchierte er nur für diesen Fall, in seiner Freizeit. Bezahlt wurde diese Arbeit gut, aber dieser Fall forderte ein ganz eigenes Tempo. Überstürzen musste man hier gar nichts. Unten im Erdgeschoss besitzt er noch ein Büro, grösser und im Sommer sonnendurchflutet wegen der grossen Fenster. Im Winter hingen oft schöne Eisblumen an der Aussenseite des Glases. Aber hier oben geht es nur um die rothaarige und geheimnisvolle Cathy Hasselmann, deren Blutspur die der meisten anderen Serienmörder der USA in den Schatten stellte. Aber weder die Polizei, noch die Zeitungen sahen alle möglichen Verbindungen. Cathy war wohl in drei Todesfälle verwickelt was auch kein Zufall sein konnte, das sah die Polizei von New York auch so. Auch die Times brachte einen solchen Artikel. Aber die vielen kleinen anderen Vorfälle die sich überall an der Ostküste, im Mittleren Westen, oben an den Grossen Seen und auch schon in den Südstaaten ereignet hatten, die sahen sie nicht. Immer wieder kurze, rote Haare und immer wieder der Name "Cathy". Immer wieder ein hübsches, junges Mädchen und immer wieder Hotels. Und das seit über zwanzig Jahren.

Er verfügt über einen dicken Ordner mit ausgeschnittenen Zeitungsartikeln, aber sein ganzer Stolz ist die grosse Tafel, an der er alle Verbindungen graphisch dargestellt hatte. Linien ziehen sich von Passbildern und Zeichnungen über Ausschnitte von Landkarten. Er schaut in die Augen von Cathy von der es bisher nie ein Photo gegeben hatte, sondern nur eine Zeichnung. Auch wenn sie jung und schön anzusehen ist, ihre Augen sind kalt und grausam.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 13.06.2021 14:42.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Intermezzo 2, Episode 1

von Alina am 11.06.2021 15:10

Baltimore, Maryland
11. Dezember 1941, Donnerstag

 
Soundtrack für diese Episode:  Lale Andersen - Lili Marleen


 Winter 1941 – ein alter Mann mit harten Zügen sitzt in einem Schaukelstuhl vor dem wärmenden Feuer des Kamin. In der Nacht hatte es ganz leicht geschneit und es würde wunderschön aussehen an Weihnachten, wenn alles mit einer ganz leichten Puderschicht überzogen wäre. Aber im Laufe des Tages war es der nasskalte Regen gewesen, der wieder alles weggespült und aus dem zauberhaften Morgen einen dunklen und ungemütlichen Tag gemacht hatte.

Die vergangenen Tage hätten nicht mehr Hiobsbotschaften mit sich bringen können. Die Schlitzaugen hatten es am Sonntag tatsächlich gewagt, Pearl Harbour anzugreifen und fast dem Erdboden gleichzumachen. Das war ein ungeheurer Vorfall und kaum zu glauben. Es brodelte schon eine ganze Zeit im Pazifik, doch man war sehr auf Europa fokussiert wo Hitlers Armeen kurz vor Moskau standen oder besser, gestanden hatten bevor die Russen wohl noch im letzten Moment zu einem Gegenschlag ausgeholt hatten. Nun war nicht klar, ob Hitler Moskau einnehmen würde. Die Nachrichten, so zensiert sie sicher auch waren, klingen nicht gut.

Dann hatte Deutschland den USA auch noch den Krieg erklärt, jetzt kämpften die Deutschen Seite an Seite mit den Schlitzaugen – gegen die USA! Eine verrückte Welt war das! Schorsch weiss, was das bedeutet. Die Militärpolizei war schon in Baltimore gewesen und hatte sich mögliche Einwohnerlisten geben lassen. Er hatte es schon gehört. Wieder würde der gleiche Spuk von vorn beginnen, wie bereits im Grossen Krieg fast dreissig Jahre zuvor. Man würde die Deutschen internieren und sie wie Feinde behandeln im eigenen Land. Es würde keine Rolle spielen, dass die Hasselmanns und unzählige andere deutschstämmige Familien seit Generationen Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika waren, hier hart arbeiteten und damit doch klar gemacht hatten, wo sie leben wollten. Sie hatten Steuern gezahlt, sie gingen in die Kirche – wenigstens seine Frau tat das, sie gingen wählen. Wieso reicht das alles nicht? Dass er eine heimliche Sympathie für seine alte Heimat empfindet – kann man ihm das verübeln? Sicher wurde er deshalb kein Partisane im eigenen Land, das wäre auch sinnlos gewesen. Amerika war unfassbar gross, jedenfalls im Vergleich zum Deutschen Reich. Sollte die Regierung in Washington die Japs ruhig wegsperren, denen konnte man wirklich nicht trauen. Aber ihm und der deutschen Gemeinde in Baltimore? Es ist eine Schande.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 12.06.2021 12:33.

Alina

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  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Re: Das Zimmermädchen [FSK18]

von Alina am 07.06.2021 20:30

Ich möchte alle Leserinnen und Leser begrüßen, die sich noch an Cathy und ihre Abenteuer auf dem amerikanischen Kontinent erinnern können. Und natürlich begrüße ich auch die neuen Mitglieder von Rollenspielhimmel, die "Das Zimmermädchen" bisher noch nicht kennen.

Kaum 50 Monate später möchte ich die Geschichte zu Ende schreiben, meine Aufzeichnungen und Pläne von damals helfen mir dabei sehr. Ich habe bereits einen weiteren Rückblick erstellt und auch zwei weitere Kapitel sind in Arbeit. Drei weitere Kapitel sollen später folgen, um die Geschichte zu beenden.
Auf jeden Fall werde ich erst wieder Folgen veröffentlichen, wenn die beiden Kapitel fertig sind. Es soll nicht stocken und ich will keinen Druck beim Schreiben verspüren. Aber ich möchte vor allem neuen Lesern die Chance geben, schon jetzt die bisherigen Kapitel zu lesen und dann bereit zu sein, wenn die neuen Folgen kommen.

Ich kann es kaum erwarten, Cathy einen anderen Kontinent betreten zu lassen und ihre Odysee dann enden zu lassen. Sie hat bereits jetzt einen langen Weg hinter sich und sie verdient ein würdiges Ende. Ich halte euch im Blog auf dem Laufenden und wenn ihr Anregungen und/oder Kritik loswerden wollt, schreibt mir gern eine Nachricht.

Hier ein kleiner Vorgeschmack auf den bald kommenden Rückblick:

In dem nicht allzugrossen Büro unter dem Dach recherchierte er nur für diesen Fall, in seiner Freizeit. Bezahlt wurde diese Arbeit gut, aber dieser Fall forderte ein ganz eigenes Tempo. Überstürzen musste man hier gar nichts. Unten im Erdgeschoss besass er noch ein Büro, grösser und im Sommer sonnendurchflutet wegen der grossen Fenster. Im Winter hingen oft schöne Eisblumen an der Aussenseite des Glases. Aber hier oben ging es nur um die rothaarige und geheimnisvolle Cathy Hasselmann, deren Blutspur die der meisten anderen Serienmörder der USA in den Schatten stellte. Aber weder die Polizei, noch die Zeitungen sahen alle Verbindungen. Cathy war wohl in drei Todesfälle verwickelt was auch kein Zufall sein konnte, das sah die Polizei von New York auch so. Auch die Times brachte einen solchen Artikel. Aber die vielen kleinen anderen Vorfälle, die sich überall an der Ostküste, im Mittleren Westen, oben an den Grossen Seen und auch schon in den Südstaaten ereignet hatten, die sahen sie nicht. Immer wieder kurze, rote Haare und immer wieder der Name "Cathy". Immer wieder ein hübsches, junges Mädchen und immer wieder Hotels. Und das seit über zwanzig Jahren.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 11:43.

Alina

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  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 5, Episode 10

von Alina am 19.04.2017 17:08

Beverly Hills Hotel, 9641 Sunset Blvd, Beverly Hills, Los Angeles, California
29th of November 1955


Soundtrack für diese Episode: The Chordettes - Mr. Sandman


Mr. Bacon war vor knapp zwei Wochen gestorben. Cathy erfuhr nicht, dass er an einer Hirnblutung gestorben war, aber die Nachricht an sich überraschte sie nicht. Es überraschte sie aber wohl, dass es so lange gedauert hatte, denn sie hatte seinen Tod herbeigesehnt, im Sommer schon. Aber dann hatte sie sich auf ihre neue Anstellung konzentriert und dachte erst gar nicht mehr an an ihn, bis zum Ende des Monats September jedenfalls.

Quelle des Bildes

 

Am 30. September war James bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Cathy hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst damit abgefunden, dass er das Jahr nicht überleben würde. Als sie es dann aber schwarz auf weiss in der Zeitung las, da war sie doch sehr betrübt gewesen. Ausserdem, ein Autounfall! Das war sehr vorhersehbar gewesen, beinahe trivial. James fuhr gern Autorennen, es war wohl seine einzige Leidenschaft gewesen, von hübschen Mädchen abgesehen. Es wurde viel über ihn geschrieben, aber das interessierte Cathy alles nicht mehr. Sie trauerte auf ihre Weise still um ihn.

Sie hatte James noch einmal gesehen, im August, als er sie im 'Beverly Hills' besuchte und sich danach erkundigte, ob sein Telefonanruf geholfen hatte. Cathy war recht wortkarg gewesen, daran konnte sie sich noch erinnern. Und so wurde es auch kein langes Gespräch. James grinste auf seine unwiderstehliche Weise und versicherte ihr nochmal seine Hochachtung und dann verschwand er wieder, nachdem er einen Drink an der Hotelbar genommen hatte. Ihr war das Gespräch unangenehm gewesen und obwohl sie sich sehr freute ihn wiederzusehen, konnte sie doch das Wiedersehen nicht geniessen. Es wurde ihr noch einmal klar, wieviel Aufmerksamkeit er ihr doch gewidmet hatte, dafür dass sie nur einmal schnellen Sex hatten. Trotzdem war sie war froh gewesen, als er das Hotel wieder verliess.

Als sie dann von seinem frühen Tod las, kehrten ihre Gedanken wieder zu Bacon zurück und sie verfluchte ihn wieder. Wieso hatte James vorher sterben müssen? Würde ihr Plan im Endeffekt gar nicht aufgehen? Die Stimmen waren doch verstummt und sie war sich sicher gewesen, dass alles funktioniert hatte. Sie hatte sich seinen Tod so sehr gewünscht. Was war nur los? Sie musste noch einmal weitere sechs Wochen warten, bis sie endlich auch von seinem Tod erfuhr. Eine gewisse Erleichterung war die Folge und das Gefühl, dass nun Gerechtigkeit oder zumindest eine gewisse Balance wiederhergestellt worden war.

Es würde noch einige Tage dauern, bis der Hotelmanager sich an Cathys Vorstellungsgespräch erinnern sollte und nachdenklich werden würde. Es gab keine offensichtliche Verbindung zwischen Bacon und Dean, ausser der Tatsache dass beide ziemlich zeitnah verstorben waren und dass beide ebenfalls gleichzeitig für Cathy ein gutes Wort eingelegt hatten. Diese Gemeinsamkeiten waren sicher nur ein merkwürdiger Zufall, aber es würde nicht schaden, diese vielleicht banale Information der Polizei zukommen zu lassen. Falls es eine Verbindung zu dem recht neuen Dienstmädchen gab, dann würde die Polizei sie schon finden. Wenn nicht, war es auch gut. Das Hotel konnte keine Scherereien gebrauchen.




ASU


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 15:01.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 5, Episode 9

von Alina am 19.04.2017 17:07

Guesthouse, Hawthorn Ave, Hollywood, Los Angeles, California
30th of July, 1955


Soundtrack für diese Episode: Fats Domino - Goin' home


Manchmal konnte man einfach nicht genug vom Leben kriegen. Gerade war so ein Moment. Cathy fühlte sich beschwingt, ausgelassen und genau so jung, wie sie auch aussah. Sie hätte Bäume ausreissen können. Alles lief prächtig. Sie legt Jacke und Tasche ab und macht sich einen Tee.

Sie pfeift ein Liedchen, während das Wasser langsam zu kochen beginnt. Gerade war sie beim Vorstellungsgespräch gewesen, im 'Beverly Hills'. Und es hatte geklappt. Gleich zwei positive Referenzen hatte sie vorzuweisen gehabt und nur von einer hatte sie gewusst, beziehungsweise sie hatte darauf gehofft, dass Mr. Bacon Wort hielt. Das hatte er auch getan. Aber man hatte ihr auch davon berichtet, dass ein gewisser James Dean angerufen hatte und sich danach erkundigt hatte, ob ein Dienstmädchen gebraucht würde. Er hatte von ihr geschwärmt, ihren Namen genannt und sich dann mit den Worten verabschiedet, dass er dieser Cathy empfehlen wolle, sich im Hause zu bewerben. Und als dann auch ein Mr. Bacon anrief und ein ähnliches Anliegen vorbrachte, da dachte man sich schon, dass es sich um die gleiche Cathy handelte.


Das 'Beverly Hills Hotel'

Quelle des Bildes


Dies alles berichtete man ihr während des Vorstellungsgespräches und man war natürlich neugierig darauf, was an dieser Cathy so besonders war, dass gleich zwei Namen in Hollywood ihre Reputation dafür einsetzten, dass sie eine neue Stelle als Zimmermädchen bekam. Das war nun doch etwas ungewöhnlich. Aber Cathy schwieg dazu, lächelte nur und man war wohl damit zufrieden, diese beiden Prominenten wohl hoffentlich in Zukunft als Gäste begrüssen zu dürfen. Besonders im Falle von Dean war das gleichbedeutend mit dem Stossen auf eine Goldader.

Cathy war sehr glücklich darüber und freute sich schon sehr auf den Beginn ihres Dienstes. Sie wollte am ersten August anfangen zu arbeiten. Sie rechnete damit, deutlich höhere Trinkgelder zu bekommen als im maroden 'Hollywood Hotel', in welches sich auch immer weniger Prominente verirrten. Und sie würde nicht mehr so zurückhaltend sein, was Prominente betraf. Sie hatte mit James geschlafen. Mit James Dean! Das musste man sich mal vorstellen! Sie dachte daran, dass die Welt in diesem Falle auch mit jedem anderen Verlust zurechtkommen würde. Niemand war unersetzlich, das hatte Cathy auf ihrem Weg in jedem Falle gelernt. Der Ameisenhaufen wimmelte immer, egal wie viele plattgetretene Ameisen rund um den Haufen herumlagen. Es kümmerte die Ameisen nicht und genausowenig kümmerte es die Menschheit. Es gab immer genug Abenteuerlustige, Sternchen, neue Hoffnungen, werdende Stars. Es gab immer neue hübsche Gesichter, talentierte Schauspieler und sie kamen aus North Carolina, aus Missouri, sogar aus Nevada und aus New Mexico. Es gab soviele hungrige, junge Menschen, dass Hollywood sich sattfressen konnte an ihnen. Und auf jeden, der ein Engagement ergatterte, kamen sogar Zehn oder Hunderte, die es nicht schafften. Es würde nie ein Mangel herrschen.

Sie wäscht ihre Arbeitskleidung, die sie noch aus dem 'Hollywood' behalten hatte und mit der sie morgen in das 'Beverly Hills' gehen wollte. Höchstwahrscheinlich würde sie dort eine neue Uniform bekommen, aber sie wollte trotzdem schon bei der Ankunft einen guten Eindruck hinterlassen. Es würde eine Zeitlang dauern, bis sie die Stimmen wieder melden würden und sicher hätte sie bis dahin schon jemandem im Auge. Wer würde es sein? Vielleicht Burt Lancaster oder James Stewart? Vielleicht aber auch James Mason oder sogar Marlon Brando? Letzterer gefiel Cathy auch ausserordentlich gut. Sie wollte wohl darauf achten, dass sich die Zahl der Todesanzeigen im 'Hollywood Reporter' nicht allzu sehr häuften, aber sie war guter Dinge, dass das machbar sein müsste.

Der Tee ist schon lange fertig, hatte sogar etwas Zeit um abzukühlen und Cathy trinkt einen Schluck. Das tat gut! Sie beschliesst den morgigen Tag noch zu geniessen und vielleicht ein schönes Picknick zu machen, bevor sie dann frisch und entspannt am Montag ihre neuen Stellung antreten würde. War das Leben nicht wundervoll?


Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.06.2021 14:23.

Alina

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  10. Wannabe Poet

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Kapitel 5, Episode 8

von Alina am 18.04.2017 14:49

Fontaine Hotel, Glenoaks Blvd, Burbank, Los Angeles, California
28th of July, 1955


Soundtrack für diese Episode: Marie Rappold - Stille Nacht, Heilige Nacht




Quelle des Bildes


Cathy sitzt auf Bacons Schoss und vögelt ihm die Seele aus dem Leib. Ganz sicher hatte der Regisseur nicht damit gerechnet, dass der Abend so enden würde. Sie waren in einem Stundenhotel gelandet, nachdem Cathy ihn solange betört hatte, dass er gar nicht mehr anders konnte als ihr jeden Wunsch von den Lippen abzulesen. Es war dann ganz schnell gegangen und nun reitet sie ihn so hart und schnell, dass er die Augen verdreht und hohe, verwundert klingende Laute von sich gibt. Zweimal war Cathy bereits zum Höhepunkt gekommen und ihn hatte sie bereits einmal in sich kommen lassen. Aber das war nicht genug, noch lange nicht. Sie würde ihn ficken, bis er um Gnade flehen würde und dann es vielleicht genug sein lassen.

Cathy hatte am Tag zuvor bei Bacon angerufen und mit ihm ein Treffen vereinbart. Sie wusste ja, dass er auf ihren Anruf wartete. Bei diesem Treffen hatte sie dann alles auf eine Karte gesetzt und nicht ihren Reizen gegeizt. Sie wollte ihn um jeden Preis den Kopf verdrehen, egal was er denken mochte. Sollte er sie doch für ein billiges Flittchen halten, welches alles dafür tat, um ihren Job zurückzubekommen. Sollte er sogar mit ihr schlafen und dann nichts weiter für sie tun: ihr war alles recht, solange er nur mit ihr schlief!

Sie hatte zugesagt, in dem Film mitzuspielen. Auch das würde sie nicht mehr interessieren, nachdem sie das Bett mit ihm geteilt hatte. Er würde wohl die Welt nicht mehr verstehen, wenn sie dann doch nicht am Drehort erscheinen würde, aber das war ihr ganz egal. Es ging jetzt nur noch darum, diese verdammten Stimmen zum Schweigen zu bringen. Sie waren in allerhöchster Aufregung und schrien fast pausenlos in einer Intensität, die Cathy nicht kannte.

Sie kommt zum dritten Mal und rollt sich dann von ihm herunter und ringelt sich fast wie ein Igel zusammen. Sie schnauft schwer, japst nach Luft und dann greift mit der Hand nach seinem Geschlecht. Sie macht es ihm mit der Hand, bis er ebenso wie sie nach Luft ringt und lässt ihn ebenfalls einen weiteren Höhepunkt erleben. Dann legt sie sich erschöpft neben ihn und lächelt erleichtert und froh... geschafft!

Der Abschied war dann kurz und schmerzlos gewesen. Er hatte sich höflich bedankt und liess Cathy wissen, dass er selten so „einen wilden Feger wie sie" im Bett gehabt hatte. Cathy hatte nur gelächelt und bereits an die Früchte ihrer Arbeit gedacht. Er hatte den Dreh nicht nochmal erwähnt, es verstand sich für ihn wohl von selbst, dass Cathy ihr Wort halten und dort erscheinen würde. Doch da konnte er lange warten, dieser Schnösel.

Ausdauer und Standvermögen hatte er jedoch bewiesen, das musste Cathy neidlos anerkennen. Sie war wirklich auf ihre Kosten gekommen und nicht nur die Stimmen waren still, sondern auch sie fühlte sich wund und erschöpft, aber trotzdem rundherum befriedigt. Sie würde gerne eine kleine Pause einlegen, wenn es um den Geschlechtsverkehr ginge.

Wieder zuhause nimmt Cathy ein Bad und bereitet sich ein spätes Nachtmahl zu. Sie hatte Bacon darum gebeten, in einem anderen, guten Hotel ein gutes Wort für sie einzulegen, damit ihre Bewerbung erfolgreich wäre. Er hatte das immerhin versprochen und ihr das 'Beverly Hills' ans Herz gelegt. Sie hatte schon davon gehört, das 'Beverly Hills' gehörte in der Tat zu den besten Adressen der Stadt. Dort würde sie sehr gern arbeiten. Nachdem sie fertig gegessen hat, setzt sie sich noch einen Moment hin und lauscht dem Radio. Die gespielte Musik ist zu ausgelassen und will gar nicht richtig zu ihrer Stimmung passen. Sie schaltet das Radio wieder aus.

Wie wunderschön still es nun war. Sie summt ein Lied und zu ihrer eigenen Überraschung ist es ein Weihnachtslied, welches zuhause in Baltimore am Heiligabend immer gesungen wurde. 'Stille Nacht, heilige Nacht', natürlich ein deutsches Weihnachtslied. „Schlaf in himmlischer Ruh... schlaf in himmlischer Ruh", singt sie leise und denkt an Bacon. Dann schmunzelt sie und legt sich ebenfalls schlafen.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.06.2021 15:00.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 5, Episode 7

von Alina am 07.04.2017 18:59

Guesthouse, Hawthorn Ave, Hollywood, Los Angeles, California
26th of July, 1955


Soundtrack für diese Episode:
Ella Fitzgerald & Louis Jordan - Stone Cold Dead In The Market (He Had It Coming)




Quelle des Bildes (Screenshot aus dem Video)


Der Tag war entweder grausam langweilig vergangen oder er verflog wie in einem Nebel. Entweder langweilte sie sich und schlug sich mit ihrem Kater herum oder sie dämmerte vor sich hin. Irgendwann ist es draussen dunkel und sie steht wieder auf. Nach diesem Tag würde sie ohnehin nicht durchschlafen können.

Sie kocht sich einen Kaffee und beschliesst, eine Runde spazierenzugehen. Zunächst aber trinkt sie den Kaffee aus und lauscht dem Radio. Sie spielen einen sehr schönen Song, der Cathy gefällt. Ihre Laune verbessert sich etwas und als auch der nächste Song verklungen ist, zieht sie ihre Jacke an und bricht auf. Draussen ist es noch immer warm.



Quelle des Bildes


Als sie gemütlich an der Straße entlang flaniert und ihr lediglich Männer mit Hunden begegnen, die Gassi geführt werden müssen, hört sie in sich hinein. Die Stimmen sind sehr ruhig, wie immer 'danach'. Sie verzieht das Gesicht, wenn sie wieder daran denkt, was die Stimmen hat verstummen lassen und sie seufzt leise vor sich hin. Und kurz darauf spürt sie wieder diese unbändige Wut auf Mr. Bacon. Er würde indirekt dafür verantwortlich sein, falls James... sie korrigierte sich in Gedanken, ...was James passieren würde. Sie hatte alles im Griff gehabt, bevor Mr. Bacon dafür gesorgt hatte, dass sie gefeuert wurde.

Sie dachte an dieses Wort. An dieses eine Wort, welches sie seit Jahren, nein Jahrzehnten, immer wieder hörte. BELU. BELU. BELU. Sie wusste immer noch nicht, was es hiess, aber es sorgte dafür, dass sie unruhig wurde, dass sie sich aufmachte, dass sie tätig wurde und auch im Endeffekt, dass Menschen starben. Sie wünschte sich, dass die Stimmen wiederkommen mochten, so schnell wie möglich. Es war das erste Mal, dass sie sich das wünschte, das erste Mal in ihrem ganzen Leben. Sie hatte das Schicksal auch schon in ihre eigene Hand genommen, wenn es um allzu neugierige Personen und unliebsame Gesellen ging, aber war das nicht ein grosses Risiko gewesen? Es war ausserdem völlig unmöglich, dass ihr das bei Mr. Bacon gelang, ohne dass es Konsequenzen für sie haben würde.

Deshalb wünschte sie sich nun die Stimmen alsbald zurück. Früher war sie um dieses Zeitfenster froh, wenn sie Stimmen verklungen waren und sie eine schöne Zeit mit Joe verbringen konnte. Nur dieses eine Mal, da kam es ihr vor, als würde sie nicht warten können, bis es wieder soweit war. Sie würde Mr. Bacon geben, was er verdiente und sich somit für eine ganze Generation rächen, die schon bald um einen grossen Stern am Himmel Hollywoods weinen würde. Ja, das war sie James schuldig und sich auch. Sie seufzt wieder und fährt sich etwas verzweifelt durch ihr lockiges, rotes Haar. Warum konnte sie die Zeit nicht zurückdrehen? Warum hatte sie in diesen ganzen Jahren keinen Weg gefunden, die Destruktivität dieses Fluches besser lenken zu können? Wieso konnte sie nicht dafür sorgen, dass Menschen immun gegen ihren Fluch waren? War das am Ende wirklich völlig unmöglich? Sie war eher davon überzeugt, dass sie nur den Schlüssel dafür noch nicht gefunden hatte. So destruktiv diese Kräfte ihr auch vorkamen, aber sie hatte immerhin gelernt, mit ihnen zu leben.

Sie verwirft diese unnützen Gedanken und geht langsam weiter. Sie schliesst immer wieder die Augen und versucht, an nichts mehr zu denken. Es war ein Experiment, aber es war einen Versuch wert. Ihre Miene verfinstert sich zusehends und sie flüstert immer wieder dieses Wort vor sich hin. „BELU. BELU... BELU! BELU!! BELU!!!" Nichts anderes existierte mehr in ihrem Kopf und der nächste Fussgänger mit Hund wechselt die Strassenseite, als ihm ein zwar hübsches, aber finster dreinschauendes Mädchen begegnet, welche schon von weitem Unheil verspricht.

Als Cathy etwa zwei Stunden später zuhause ankommt, ist es vollbracht. Es ist nicht länger ein Experiment, sondern es herrscht Gewissheit darüber, dass Cathy das Zeitfenster selbständig verkürzen kann. Cathy schliesst die Tür hinter sich und lässt die Nacht draussen. Sie sieht erschöpft aus, ihre Miene ist düster, als wäre gerade jemand gestorben. Sie hat plötzlich dunkle Augenringe, die sie vorher noch nicht hatte, eigentlich noch nie vorher hatte und welche ihr fast einen dämonischen Ausdruck verleihen. Die Stimmen toben in ihr, wie selten zuvor in ihrem Leben. Auch wenn es ihr ein Gefühl von Macht gibt, die Stimmen beeinflussen zu können – wenn auch leider in die gegenteilige Richtung, die sie sich gewünscht hätte – so war sie sicher über das Ziel hinausgeschossen. Der Umgang mit diesen Mächten war ihr trotz ihrer jahrelangen Erfahrung immer noch ein Rätsel. Bisher hatte sie sich nur als Spielball der Stimmen wahrgenommen, aber das hatte sich heute Nacht geändert.

Es ist schon sehr spät, als Cathy sich schlafen legt. Aber sie wird kaum schlafen können, die Stimmen in ihrem Kopf waren viel zu laut.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.06.2021 14:18.

Alina

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  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 5, Episode 6

von Alina am 02.04.2017 21:52

James Dean's House, 14611 Sutton St., Sherman Oaks,
San Fernando Valley, Los Angeles, California

26th of July, 1955


Soundtrack für diese Episode: The Ames Brothers - The Naughty Lady Of Shady Lane




Quelle des Bildes


Das erste was Cathy sieht, ist der riesige Ventilator an der Decke des Raumes. Er läuft fast lautlos und nur seine mächtigen Schwingen sorgen dafür, dass sie ein sanftes Rauschen vernehmen kann wenn sie genau hinhört. Es war bereits nötig dass der Ventilator lief, denn die Hitze stand bereits im Raum. Ihre Lippen fühlen sich trocken an und ihr Hals ist rau. Und ihr Kopf schmerzt, ziemlich sogar! Sie schliesst die Augen gleich wieder.

Das hier war nicht die Pension, in die sie sich kurzfristig eingemietet hatte nachdem sie aus dem Hotel gefeuert worden war. Langsam kamen die Erinnerungen an die Nacht zurück und ihr schwant Böses. Ein kurzer Blick auf die andere Seite des grossen Bettes bestätigt ihre Befürchtung. Dort lag James, er hatte ihr den Rücken zugedreht und schnarchte leise. Sofort bewegt sie wieder den Kopf, starrt dann an die Decke. Sie musste hier raus und zwar schnell. Sie wollte nicht mehr hier sein, sie hätte gar nicht an diesen Ort kommen sollen. Aber es nützte nichts, nun war es für diese Art Reue zu spät.

Sie steht leise auf, ächzt leise als sie versucht den Schwindel zu unterdrücken und sich von den hämmernden Kopfschmerzen nicht beeindrucken zu lassen. Daran war definitiv der Whiskey schuld gewesen. Sie hatte eine Menge geraucht und getrunken am gestrigen Abend.
Sie zieht sich an, immerhin findet sie ihre Kleidungsstücke um das Bett herum verteilt. James schien so fest zu schlafen, dass sie vielleicht gar nicht so vorsichtig sein brauchte. Dann huscht sie aus dem Schlafzimmer, schaut im Badezimmer kurz in den Spiegel und verlässt dann das Haus.

Wie hatte sie das nur tun können? Sie hatte mit James geschlafen. Sie hatten sich nicht die ganze Nacht geliebt und in den Betten gewälzt. Das wäre es vielleicht wert gewesen, aber nein, es war eher ein kurzes und heftiges Gewitter gewesen, kein langanhaltender und die ganze Nacht andauernder Sturm. Sie waren beide sehr betrunken gewesen und Cathy hatte bis zuletzt immer wieder bekräftigt, dass es keine gute Idee sei, ihn noch nach Hause zu begleiten. Aber dieses Mal wollte sich James nicht abweisen lassen. Dieses Mal hatte er seine Hände weiter benutzt und irgendwann wurde Cathy schwach und sie waren übereinander hergefallen.

Cathy konnte sich auch nicht an das Ende ihres Aktes erinnern. Sie musste irgendwann eingeschlafen sein. Huch, wie peinlich! Vielleicht war auch er eingeschlafen, das war noch weitaus wahrscheinlicher. Sie erinnerte sich an viele Berührungen, dann an eine kurze Phase von harten Stössen, an Gestöhne und dann... nichts mehr. Wie schön wäre es gewesen, morgens ohne Kopfschmerzen aufzuwachen und ohne jede Reue mit ihm geschlafen haben zu können!

Sie hatte ihn wieder zufällig getroffen, in einem Restaurant auf dem Hollywood Boulevard. Cathy hatte etwas essen wollen, James trank schon am frühen Abend und so trafen sie sich auf die gleiche Weise wie schon zuvor im 'Hollywood Hotel'. Wieder bat James sie, ihm doch etwas Gesellschaft zu leisten und wieder sagte Cathy zu. Dieses Mal aber musste James zwei andere jungen Damen bitten, ihn nun zu verlassen, da er „eine alte Freundin wiedergetroffen hatte". Cathy wartete mit einem Schmunzeln darauf, dass sie beiden Mädchen sich mit vor Neid funkelnden Augen verabschiedet hatten und setzte sich dann zu ihm.



Quelle des Bildes


James hatte dann weiter getrunken, Cathy dazu eingeladen mit ihm zu trinken und ihr dann von seinem momentanen Grund erzählt zu trinken. Er stritt sich die ganze Zeit mit dem Regisseur George Stevens herum und Cathy erfuhr, dass er an einem neuen Film arbeitete. In diesem Film würde auch Elizabeth Taylor mitspielen! Und Rock Hudson auch! Cathy konnte es kaum glauben und hörte aufmerksam zu. Dean war schon ein Star, aber mit diesem Film würde er wohl endgültig in die erste Riege Hollywoods aufsteigen und das in diesem Alter! Cathy war ziemlich stolz darauf, dass James so erpicht darauf war, seinen Abend in ihrer Gesellschaft zu verbringen.

James zahlte alle Getränke und so trank sie mit ihm. Ein Whiskey folgte nach dem anderen und Cathy konnte sich schnell denken, dass dies morgen mit einem riesengrossen Kater enden würde. James hatte wohl frei, zumindest sagte er das. Und Cathy, ja sie selbst hatte auch Grund genug um zu trinken. Der Tag zuvor war einfach an ihr vorbeigezogen, sie war nachdenklich und auch wütend auf Mr. Bacon. Und sie hatte sich eine Pension suchen müssen. Am nächsten Tag, also dem Tag, an dem sie abends James im 'Musso & Frank Grill' traf, befand sich ihre Wut und Enttäuschung auf einem Höhepunkt und sie beschloss, auszugehen und es krachen zu lassen. Das Restaurant sollte nur der Anfang eines langen Abends werden. Ausserdem lamentierten die Stimmen bereits wieder in ihrem Kopf, es hätte sich also auf jeden Fall gelohnt, die Korken knallen zu lassen, sich treiben zu lassen und am Ende vielleicht in einem fremden Bett aufzuwachen.

Aber neben James aufzuwachen, das war nicht ihr Plan gewesen. Das war auch nicht ihr Plan gewesen, solange sie halbwegs nüchtern gewesen war. Natürlich genoss sie James' Gesellschaft und die teils bewundernden, teils neidischen Blicke, während sie sich mit James unterhielt und mit ihm trank, aber Sex hatte sie kategorisch für sich ausgeschlossen. James war nicht nur ein Prominenter, er war ein Star und Cathy mochte ihn auf der Leinwand sehr. Unter keinen Umständen wollte sie, dass er der Grund war weswegen die Stimmen am nächsten Morgen stumm sein würden.

Das war alles Mr. Bacons Schuld! Nur wegen ihm war sie wütend gewesen und hatte sich ablenken wollen. Nur dieser elende Hund war daran schuld, dass sie keine Arbeit mehr hatte und wohl bald in der Zeitung lesen würde, dass James... sie mochte gar nicht daran denken! Wieder steckte eine gewisse Ironie hinter dieser Sache, die Cathy diesmal sogleich auffiel. Ein Regisseur war sein Grund, im 'Musso & Frank Grill' zu trinken und ein Regisseur war auch ihr Grund gewesen, dorthin zu gehen. Sie seufzt und setzt langsam einen Fuss vor den anderen. Es war weit bis in die Pension, denn sie waren mit einem Taxi in James' Wohnung gefahren. James war gerade dabei, dort einzuziehen, es befand sich im San Fernando Valley. Cathy verliert bald die Lust und hält ein Taxi an. Sie wollte nur noch nach Hause - auch wenn es sie jetzt kleines Vermögen kosten würde.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.04.2017 22:02.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 5, Episode 5

von Alina am 23.03.2017 22:05

Hotel Hollywood, 6801 Hollywood Blvd, Hollywood, Los Angeles, California
24th of July, 1955


Soundtrack für diese Episode: Louis Jordan - Don't let the sun catch you cryin'




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Als Cathy aus ihrer Mittagspause zurückkehrt, wird sie von Mr. Hoffman, dem Manager des Hotels zu sich gerufen. Mr. Hoffman wäre jemand gewesen, mit dem ihr Vater sofort einen Streit angefangen hätte, denn er hatte offensichtlich deutsche Vorfahren, sprach aber kein einziges Wort mehr Deutsch und hatte auch seinen Namen offensichtlich an das angloamerikanische Sprachmuster angeglichen oder es war ihm zumindest egal gewesen, dass andere es angepasst hatten. Dies wäre für ihren Vater ein Schlag ins Gesicht gewesen. Sie musste aber zugeben, dass sie nicht mehr wusste, wie patriotisch die deutschen Gemeinden in den USA noch waren, oder ob sie sich mittlerweile ebenfalls angepasst hatten. Immerhin lagen zwei Weltkriege und ein ganzer Ozean zwischen ihnen und ihrer alten Heimat. Und zwei Weltkriege sorgten noch stärker als ein Ozean dafür, dass ein starker Anpassungsdruck auf den Deutschen lastete und sie waren damit nicht allein. Dasselbe galt für Japaner, sogar in besonderem Sinne und alle Asiaten, andere Europäer, Südamerikaner und nicht zu vergessen, die Neger aus Afrika.

Im März diesen Jahres hatte sich ein schwarzes Mädchen in Alabama geweigert, Platz im Bus für eine Weisse zu machen. Das musste man sich einmal vorstellen! Und am Ende diesen Jahres würde die Welt ein weiteres Mal nach Alabama schauen, wo eine gewisse Rosa Parks dafür sorgen würde, dass das Ende der offensichtlichen Diskriminierung von Schwarzen in der amerikanischen Öffentlichkeit eingeläutet wurde. Cathy begrüsste diese Entwicklung, denn sie hatte während ihrer Arbeit in den zahllosen Hotels genügend Negerinnen kennengelernt, die hart arbeiteten, fleissig und schlau waren, selbst wenn sie über keinerlei Schulbildung verfügten. Sicher, sie konnten weder lesen noch schreiben, aber sie waren gut darin, sich schnell anzupassen und alle erforderlichen Dinge schnell zu lernen, die sie für ihre tägliche Arbeit brauchten. Sie konnten waschen, kochen, nähen und servieren. Bei den Manieren haperte es manchmal, aber das war bei den weissen, jungen Dienstmädchen nicht anders, wenn sie anfingen.

Cathy hatte auch mit Negern geschlafen und auch hier sah sie keinen Grund, warum die Ungleichbehandlung von Schwarzen nicht gänzlich verschwinden sollte. Sie würde vielleicht irgendwann mal völlig offen mit einem Neger ausgehen können, ohne dass sich irgendjemand daran stossen würde. Jedenfalls würde sie jeden schwarzen Mann aus der Grossstadt einem Redneck aus Alabama vorziehen!

Als sie an Mr. Hoffman's Büro anklopft, konzentriert sie sich aber lieber auf das folgende Gespräch und tritt ein. Mr. Hoffman sitzt an seinem Platz, hinter dem grossen fast antiken Schreibtisch, der sicher noch aus Europa stammt. Seine Miene sieht heute nicht besonders freundlich aus und Cathy ist neugierig, was es heute zu besprechen gibt. Sie war überzeugt davon, dass ihre Arbeit tadellos war – über genügend Erfahrung verfügte sie ja definitiv.

„Cathy, ich..., wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass wir ihre Stellung ab sofort kündigen. Es tut mir leid, ich...", er zuckt mit den Schultern, als wüsste er selbst, dass es sich hier gerade um eine Schmierenkomödie handelt, „...wir entschuldigen uns bei Ihnen und...".
Er spricht nicht weiter und sieht Cathy an, als wäre er in dieser Sache auf ihre Zustimmung angewiesen. Das konnte sie nun gar nicht verstehen. Was sollte das? Eine Entlassung und dann noch auf diese Weise? Wieso entschuldigte er sich? Sie sieht ihn nur skeptisch und mit erhobener Augenbraue an. „Mr. Hoffman?"

Dieser windet sich etwas, als wäre ihm unwohl und dann fügt er hinzu: „Es gab Beschwerden eines Gastes, ein sehr wichtiger Gast für das Hotel. Ich weiss gar nicht, wie ich es Ihnen beibringen soll. Wir sind überzeugt davon, dass Sie nichts falsch gemacht haben, aber der Gast verlangt, dass wir Sie entlassen, sonst..." Wieder spricht er nicht weiter und Cathy sieht ihn fassungslos an. Doch dann nickt sie.

„Ich verstehe, Mr. Hoffman", antwortet Cathy knapp und mit kalter Stimme. Es gab nichts mehr zu sagen. Das 'Hollywood' befand sich auf einem absteigenden Ast und man wollte und konnte es sich nicht erlauben, weitere prominente Gäste zu verlieren. Hier gab es keinen Verhandlungsspielraum mehr, das war ihr sofort klar.

Sie steht auf, geht zur Tür, dreht sich noch einmal herum, sieht Hoffman in die Augen und fragt leise: „Wer? Bacon?" Hoffman überlegt einen Moment und dann nickt er nur und verdreht die Augen. Cathy nickt und verlässt das Büro.




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Cathy holt ihre Sachen und es ist noch immer nicht mehr als eine Reisetasche voll. Darauf hatte die meiste Zeit ihres Lebens geachtet, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen. Sie wohnte gern dort, wo es schon alles gab und wo ihre Entlohnung teils darin bestand, das Inventar mitbenutzen zu dürfen. Langfristig sparte ihr das eine Menge Arbeit und Geld. Oft war es auch eine Selbstverständlichkeit, dass Dinge vorhanden waren, die Cathy mitbenutzen konnte, beispielsweise in Hotels, in denen sie wohnte. Es gab dort eine grosse Küche, für die Gäste und die Bediensteten und dafür zahlte sie keinen Cent extra. Aber für Kost und Logis neben ihrem Lohn gehörte es eben auch dazu, kurzfristig für kranke oder fehlende Kolleginnen einzuspringen, manchmal auch mitten in der Nacht. Aber das machte Cathy nichts aus.

Sie hat Glück und niemand sieht sie beim Packen. Sie würde gern ohne grosses Aufsehen gehen, ohne Verabschiedung, ohne grosse Worte. Es würde ihr ja ebenso wie Mr. Hoffman schwerfallen, eine Erklärung für ihr plötzliches Ausscheiden aus der Belegschaft abzugeben. Da war es besser, erst gar nichts erklären zu müssen.

Sie gibt am Empfang ihren Schlüsselbund ab, aber nicht ohne vorher die Hand aufzuhalten und ein Briefkuvert zu empfangen, welches sie vorher öffnet, hineinschaut und einige Scheine abzählt. Ihr bisheriger Lohn plus, keine Ahnung, vielleicht zwanzig Dollar extra. Sie steckt den Umschlag ein, bedankt sich stumm mit einem Nicken und verlässt dann das Hotel zu Fuss. Sie trägt fast die gleiche Kleidung und den gleichen Koffer wie damals vor drei Jahren, als sie hierher gekommen war.

Sie betritt den Bürgersteig und läuft einige Meter, als sich eine Limousine von hinten nähert und neben ihr anhält. Die Scheibe wird heruntergekurbelt und ein Mann, der wie ein Chauffeur aussieht, ruft sie. „Miss Conrad?"
Sie hatte diesen Namen angenommen, als sie damals das Schiff verlassen hatte und sich vorstellen musste. Wie sie es geplant hatte, sollte es Joe ehren, die grösste und vielleicht einzige Liebe ihres Lebens. Es hatte noch einige Zeit gedauert, bis sie wieder über soviel Geld und auch Kontakte hier in Kalifornien verfügte, bis sie sich wieder einen Pass leisten konnte. Mit einem Pass musste sie weniger vorsichtig sein und sie war in ihrer Freiheit nicht so eingeschränkt.

Sie bückt sich leicht und späht in den Wagen, aber sie kann niemanden sonst erkennen. Trotzdem denkt sie darüber nach, wer vielleicht hinter den dunklen und undurchsichtigen Scheiben der Limousine sitzen könnte, hinten im Fahrgastraum. Der Chauffeur lächelt auch, als fände er es amüsant, dass ihm Cathy derartige Indiskretion zutraut und sagt: „Mr. Bacon lässt nachfragen, ob sie vielleicht doch Interesse daran hätten, die Nebenrolle in seinem Film zu besetzen." Er sieht Cathy fragend an.

Cathy schluckt und ist das erste Mal seit vielen, vielen Jahren wirklich beeindruckt von soviel Skrupellosigkeit und auch Kaltschnäuzigkeit. Dieser Mr. Bacon war... ja, was war er überhaupt? Sie wollte gleichzeitig anerkennend nicken und lächeln, ihn gleichzeitig aber auch ohrfeigen für seine Frechheiten. Es handelte sich nicht mal um Erpressung – er hatte einfach dafür gesorgt, dass sie seiner Meinung nach keine andere Wahl mehr hatte, als sein Angebot anzunehmen.

Es sind auch diese Gedanken, die letztendlich dafür sorgen, dass die Wut in Cathy überhand nimmt und sie nach einigen Augenblicken des Nachdenkens erwidert: „Mr. Bacon soll sich seine 'Nebenrolle' an den Hut stecken. Würden Sie ihm das bitte bestellen?" Cathy fragt es zuckersüss, während sie den Chauffeur gespielt-liebenswert anschaut und mit den Wimpern klimpert.
Der wundert sich gar nicht über eine derartige Antwort und sagt: „Mr. Bacon rechnete schon damit, dass Sie wütend sein werden. Deshalb soll ich Ihnen seine Visitenkarte überreichen und Ihnen mitteilen, dass Sie ihn jederzeit anrufen können." Cathy nimmt die Visitenkarte entgegen, die der Fahrer aus dem Fenster reicht und lässt sie dann lächelnd auf den Boden fallen.

Der Chauffeur lächelt ebenfalls und sagt: „Sie sollten besser auf die Karte aufpassen, Miss." Dann kurbelt er die Scheibe hoch und fährt los. Cathy schaut der Limousine nach. Nicht nur dieser Mr. Bacon war abgebrüht, sondern sein Fahrer ebenfalls, das musste sie neidlos anerkennen. Sie wartete, bis der Wagen ausser Reichweite war und hob die Karte wieder auf. Dieser Schurke hatte sogar auf die Rückseite der Karte geschrieben, dass er momentan im 'Hollywood' residierte und hatte die Telefonnummer des Hotels dazugeschrieben. Was für ein Scheusal er doch war!


Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.06.2021 14:15.

Alina

-, Weiblich

  10. Wannabe Poet

Beiträge: 180

Kapitel 5, Episode 4

von Alina am 16.03.2017 13:19

Hotel Hollywood, 6801 Hollywood Blvd, Hollywood, Los Angeles, California
23rd of July, 1955


Soundtrack für diese Episode: Bill Haley and his Comets - Shake, Rattle and Roll




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Schnatternd kommt eine Schar Enten auf Cathy zu, welche erst nur damit angefangen hatte, eine einzige kleine Ente zu füttern. Aber es hatte nicht lange gedauert, bis die anderen die Lunte gerochen hatten und nun von allen Seiten herbeigeflogen und herbeigelaufen kamen auf ihren patschenden Flossen. Cathy bricht ein grösseres Stück von dem trockenen Brot ab, welches sie mitgebracht hatte und zermalmt es zwischen den Fingern zu kleinen Bröckchen und Krumen und wirft diese zwischen die Tiere.

Sie schmunzelt und hat gute Laune. Sie schlendert durch den Plummer Park im Westen Hollywoods, wo sie gern spazieren ging, wenn sie ein paar Stunden Pause hatte und man sie im Hotel entbehren konnte. Sie hatte einen schönen Abend verlebt und fühlte sich so begehrt wie lange nicht. Sie hatte schon mit Prominenten geschlafen. Es mangelte niemals an Angeboten, aber sie schlug diese meist bewusst aus, aus den bekannten Gründen. Auch gestern hatte sie das Angebot letztendlich ausgeschlagen, aber sie wusste sehr genau, dass James sie gewollt hatte.
 

Und wie er sie gewollt hatte! Seine Hände waren fast überall gewesen und sie hatte die Notbremse ziehen müssen, um ihn in seine Schranken zu verweisen. Aber sie hatten trotzdem Spass gehabt. Sie verstand Spass und James nahm es sportlich, wenn er auch am Ende etwas mürrisch war. Aber sie liebte seine Mimik, wenn er aussah wie ein trotziges und enttäuschtes Kind. So hatte sie ihn auch im Kino geliebt. Er war letztlich ein Junge geblieben, ein Kindskopf, aber im Körper eines stattlichen und begehrenswerten Mannes. Und genau das war die Mischung, die die Besucher wohl auch sehen wollten, wenn sie die Kinos stürmten.

Cathy hatte das jetzt alles aus der Nähe sehen können, sie hatte ihn riechen können, sie hatte mit ihm getrunken und geredet, sie hatten miteinander gescherzt und gelacht. Sie hatte ihm ihre Reize gezeigt und er hatte nicht widerstehen können. Und nun fühlte sie sich begehrenswert und wusste, dass sie etwas erlebt hatte, was ihr fast jedes Mädchen in der westlichen Hemisphäre neiden würde. Ein gutes Gefühl, auch wenn James definitiv betrunken gewesen war. Sie war sicher, dass James auch nüchtern nur allzu gern mit ihr geschlafen hätte.

Sie hatte ihn letztendlich weggestossen, als seine Hände zu tief rutschten und als seine Küsse zu aufdringlich wurden. Sie war froh, ihn geküsst zu haben und seine Hände auf ihren Brüsten gespürt zu haben, aber sie wollte nicht nächste Woche in der Zeitung lesen, dass das grösste Idol der heutigen Jugend zu einer Legende wurde, weil er von einem Zug überrollt, von einem Auto überfahren, von einer Leiter gefallen oder von einem entwischten Mörder erschossen worden war. Niemand würde sie dafür verantwortlich machen, aber sie, sie würde es besser wissen und sie verzichtete auf das Vergnügen, welches ihr da nun definitiv entging.


Plötzlich legt sich eine Hand auf ihre Schultern und sie erschreckt kurz, dann fährt sie herum. Vor ihr steht ein Mann und seine Miene sieht noch viel überraschter aus, als ihre eigene. Er wirkt verblüfft und versucht vergeblich, es nicht zu sehr zu zeigen, als Cathy ihn anstarrt. Sie braucht einen Augenblick, bis sie sich auf diese Situation konzentrieren kann, aber dann weiss sie, was kommen wird. Sie kennt diesen Blick, auch wenn sie ihn eher selten in ihrem Leben gesehen hat.

Starre und graue Augen mustern sie, suchen in ihrem Gesicht nach einem Muster, suchen nach Eigenschaften, um die Hypothese zu widerlegen, dass es sich hierbei um ein bekanntes Gesicht handelt. Dieses Suchen kennt Cathy und ihr wird etwas heiß unter der leichten Sommerjacke. Ihr Blick flackert und sie räuspert sich leise. Angriff ist die beste Verteidigung, sagt man und Cathy setzt an, öffnet den Mund und will zu dem Mann sprechen, doch der kommt ihr zuvor und fragt mit leicht vor Verwunderung heiserer Stimme: „Miss... entschuldigen Sie bitte, Miss, aber... kommen Sie zufällig aus Chicago?"



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Chicago. Das war es also. Chicago, Chicago, was war nur in Chicago gewesen? Woher konnte der Mann sie kennen? Cathy war mittlerweile sehr routiniert darin, sich schnell eine passende Geschichte auszudenken. Manchmal war es besser, nicht aus Chicago, New York oder woher auch immer zu kommen; manchmal aber doch schon! Dieser Mann würde sich nicht so schnell abspeisen lassen, das sah sie ihm an. Zu verdutzt war er, zu sicher schien er sich zu sein – auch wenn er verzweifelt nach Indizien suchte, um seine Annahme zurücknehmen zu können. Aber es gelang ihm nicht, noch nicht.

Cathy blufft und hebt erst fragend eine Augenbraue, damit der Mann nachlegt. Und er tut es.
„Miss, kommen Sie vielleicht aus Chicago? Ich bin sicher, dass... dass Sie..." Ja, er kämpfte mit sich und das zu Recht. Sie rechnete nach und sie kannte sein Problem. Sie hatte Chicago 1933 verlassen und wahrscheinlich kannte der Mann sie noch aus der Zeit davor. Vielleicht war er ihr 1930 begegnet, aber das war 25 Jahre her! Er war nun alt, jedenfalls 25 Jahre älter, wohingegen Cathy aussah, als wäre sie gerade aus dem Ei geschlüpft. Sie hatte nichts von ihrer frischen Ausstrahlung verloren, war hübsch anzusehen und sah keinen Tag älter aus als Zwanzig. Genau das war sein Problem und sie sah es ihm an.

Dann nickt Cathy. Sie erlöst ihn, denn er scheint an diesem Widerspruch verzweifeln zu wollen. Sie nickt und lächelt. „Meine Mom kommt aus Chicago, aber sie ist noch vor meiner Geburt an die Westküste gezogen. Vielleicht verwechseln sie mich mit ihr. Man sagt, sie sieht mir sehr ähnlich, Mister."
Die beiden starren sich an und es ist ein Bluff in einem Spiel. Cathy lügt so überzeugend, dass sie sogar einen Mafiosi anlügen könnte; diese Metapher kommt ihr in den Sinn, als sie über Chicago nachdenkt. Und dann dämmert es ihr. Genau in dieser Spur ihrer Gedanken dämmert es ihr und sie schluckt, während sie den Mann immer noch leicht triumphierend anlächelt und sich sicher ist, ihn täuschen zu können.

Sie verliert ihre Contenance nicht völlig, dafür ist sie zu erfahren oder besser gesagt, zu abgebrüht. Aber sie sieht den Mann wieder vor sich, sie erkennt ihn wieder, obwohl er anders aussieht als damals. Er sieht natürlich älter aus, viele Falten haben sich in sein Gesicht gegraben, er trägt eine Narbe an der Wange, die er früher nicht trug, er trägt keinen Nadelstreifenanzug und keinen dunklen Mantel mehr und er trägt auch keinen Fedora-Hut mehr, sondern eine Kappe. Sie versucht sich an den Namen des Mannes zu erinnern und kommt zu dem Schluss, dass sie niemals direkt mit ihm gesprochen hatte. Sie war dabei, als Frankie Yale zu ihm sprach und er sprach zu Frankie Yale. Ja, er war es, das war Frankies Leibwächter!

Cathy schluckt und versucht wieder zu lächeln. Ob es echt ist oder nicht, erkennt der Mann glücklicherweise nicht. Er starrt sie immer noch mit verengten Augen an und scheint nachzudenken. Er kann nicht begreifen, dass es eine so grosse Ähnlichkeit gibt, das sieht sie ihm an. Aber die Erklärung ist gut, sie bezweifelt seine Aussage nicht, streitet es nicht ab, dass es sehr gut sein könnte, dass er ihre Mutter kennt. Es ist immerhin ihre Mutter – es ist nicht ungewöhnlich, dass grosse Ähnlichkeiten zwischen Mutter und Tochter vorkommen.

„Das gleiche Haar, etwas kürzer vielleicht. Die gleichen Augen, der gleiche Mund..." Er schüttelt nochmal fassungslos den Kopf und lacht dann etwas verlegen. Cathy lacht mit und schluckt wieder. Ihr wird klar, dass der Mann sicher heimlich für sie geschwärmt hatte, denn warum konnte er sich sonst so gut an diese Einzelheiten erinnern? Er hatte sie sicher tagsüber, wenn sie mit Frankie unterwegs war, beobachtet, sich Details eingeprägt und nachts von ihr geträumt. Dabei hatte er sie sicher nicht oft gesehen. Wenn sie sich recht erinnerte, war Frankie sehr kurz nach ihrer gemeinsamen Nacht erschossen worden. Sie erinnerte sich immer noch an den Zeitungsartikel, den sie lange aufgehoben hatte. Und naja, vielleicht hatte er sie vorher einige Male beobachtet, wenn Frankie im Guyon abgestiegen war. So musste es wohl gewesen sein. Sie hatte ihn nie grossartig beachtet, aber er hatte sie dafür umso genauer unter die Lupe genommen. Und nun hatte er sie hier gestellt, im Plummer Park, in Kalifornien. Welches Schicksal ihn wohl hierher verschlagen hatte?

„Lebt... lebt ihre Mutter denn noch?", fragt er Cathy nun und diese reagiert schnell, lässt sich von ihrer Intuition leiten und ihre Miene verdunkelt sich etwas, wird melancholisch und sie antwortet mit leiserer Stimme: „Sie ist leider bei der Geburt meiner Stiefschwester verstorben. Sie...", sie zieht leicht ihre Nase hoch als würde ihr das Thema schwerfallen, „...sie hatte einen neuen Mann und sie wollten noch ein Kind. Bei der Geburt ist sie dann..." Cathy spricht den Satz nicht mehr zuende, denn der Mann nickt nur eilig. Cathy ist eine exzellente Schauspielerin und es ist ihm peinlich, diese alte vermeintliche Wunde berührt zu haben. Cathy verdrückt eine Träne.
„Ich verstehe. Es tut mir sehr leid. Sie war eine... eine aussergewöhnliche Frau." Er atmet tief durch und ihre Blicke treffen sich wieder. „Sie war eine sehr hübsche Frau und glücklicherweise hat sie ihre Schönheit noch vererbt, bevor sie... sie... sie gehen musste." Er bringt den Satz holprig und nur mit mehreren Anläufen zu Ende. Cathy nickt und lächelt auf ihre melancholische Art.
„Danke sehr, Mister."

Als das Schweigen zu unangenehm wird, räuspert sich Cathy und fragt mit gespieltem Interesse:
„Woher kannten Sie denn meine Mom?" Der Mann denkt einen Moment nach, dann lächelt er etwas verlegen und sagt: „Ach, sie arbeitete wohl in einem Hotel, damals in Chicago und... mein Boss war dort mehrmals zu Gast. Es muss so...", er denkt nach „...so um 1928 herum gewesen sein. Ja, 1928." Cathy war sich sicher, dass sich der Mann an Yales Todesjahr erinnerte, wie sie auch. „Damals war ich... Mitte 30. 36 Jahre, um genau zu sein." Er lacht wieder etwas verlegen, als wenn er sich dafür schämen würde, dass er gealtert war und Cathy nicht. Noch immer scheint ein Teil von ihm sie für die Cathy aus Chicago zu halten, was sie ihm jedoch wirklich nicht verübelte. Wieder lächelt sie schüchtern.

Sie stehen sich etwas unsicher gegenüber. Beide wissen nicht, ob es noch etwas zu sagen gibt. Cathy erinnert sich an den Mann, er ist ihr begegnet und im Gegensatz zu allen anderen Menschen auf der Welt durfte sie niemals mit einem alten Bekannten reden, über alte Zeiten schwadronieren, in alten Erinnerungen schwelgen. Es ging aus mehreren Gründen nicht und Cathy hielt dies für einen Fluch. So sehr sie ihre Jugend schätzte und auch liebte – aber es kostete sie ihre Vergangenheit. Und die Vergangenheit eines Menschen war etwas, von dem sie bisher dachte, dass es jedem Menschen auf der Welt zusteht, egal ob es eine gute und glückliche Kindheit oder schlechte Erfahrungen seien. Ihr stand es jedenfalls nicht zu. Vergangenheit war für sie ein Luxus, denn sie sich nicht leisten konnte.

Irgendwann tippt der Mann dann an seine Kappe und verabschiedet sich. Er geht, aber nicht ohne Cathy nochmal ausführlich taxiert zu haben. Sie weiss nicht, ob er ihr glaubt. Es sieht so aus, als hätte er ihren Bluff gekauft, aber hunderprozentig sicher ist sie sich nicht. Sie sieht ihm nach und bestenfalls sieht sie ihn nie wieder.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 06.06.2021 14:11.
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