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The Headwinds - Handlung

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Zladune

27, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 04.11.2023 23:55

Es dauerte lange, bis er wieder das vertraute Gewicht auf seiner Schulter spürte. Länger als gedacht. Notos sah zu seinem Gefährten rüber, ohne seinen gemächlichen Trott zu unterbrechen. „Alles in Ordnung? Du warst eine ganze Weile unterwegs für eine einfache Lieferung." Der Drache bohrte lediglich die Krallen in seine Haut, sendete ein paar kurze, elektrische Impulse. Notos runzelte die Stirn. Auch meins. Was sollte das bedeuten? Hatte Jasper ihr auch etwas gebracht?

Er sollte es nicht erfahren. Plötzlich spannte sich Jaspers gesamter gefiederter Körper an. Wie unter Strom. Seine Ohren zuckten – und sofort bekam er zwei elektrische Schläge zu spüren. Notos verstand und passte auf den Befehl hin leicht die Richtung an. Ab dem Punkt hakte er nicht mehr nach, was sein Partner getrieben hatte. Besser er störte ihn nicht weiter. Jasper würde einen guten Teil seiner Konzentration zum Navigieren benötigen. Schade, dass er nicht ebenfalls die Energiequellen aufspüren konnte, die sein Gefährte zum Wandeln benötigte. Wobei es ihm immer noch ein Mysterium war, warum es in diesem Bereich so wenige gab.

Der restliche Tag verging ohne große Zwischenfälle. Es war noch lange vor Sonnenuntergang, als sie beschlossen, ein Nachtlager aufzuschlagen. Nun, Nachtlager. Wenn man ein kleines Lagerfeuer inmitten einer Lichtung so beschreiben wollte. Sie hatten keine Höhle wie bei der ersten Nacht in diesem Wald gefunden, aber der Himmel war klar und Jaspers alleinige Präsenz würde ausreichen, um die meisten ungewollten Besucher fernzuhalten. Außerdem wollte er nicht riskieren, das letzte Licht des Tages damit zu vergeuden, sinnlos umherzuirren, nur um dann doch nichts zu finden. Da würde er sich lieber etwas mehr Ruhe gönnen und Nirahs Rat – Nein. Stopp. Sofort kappte Notos diesen Gedanken. Widmete sich lieber mit einem verbissenen Ausdruck dem Feuer. Über dem dieses Mal kein Kochtopf hing. Sein Magen verzog sich protestierend bei der Erinnerung an das gestrige Essen. Die nächsten Tage würde er wohl ohne größere Mahlzeiten bestreiten müssen. Für so etwas fehlte ihm einfach die Zeit. Selbst wenn Nirah ihn wohl dafür getadelt – Notos kniff die Augen zusammen. Atmete tief ein. Und schaute ergeben in seiner Tasche nach, ob er nicht doch eine Kleinigkeit zum Essen fand. Nur um sofort innezuhalten. Stumpft starrte er die roten Kügelchen an, von denen viele inzwischen ein wenig eingeschrumpft waren. Feuerbeeren. Er blinzelte. Lächelte sachte. Ein Augenblick verstrich. Ein weiterer. Dann verdunkelte sich seine Miene umgehend.

Im nächsten Moment zuckte er zusammen, als Jasper ihm einen fragenden Stromstoß verpasste. Beinahe ertappt schloss er seine Tasche wieder. „Es ist nichts.", beteuerte er hastig, mit etwas mehr Nachdruck als er müsste. Jasper quittierte dies mit einem skeptischen Mustern. Notos ignorierte ihn beharrlich, lehnte sich stattdessen an den rauen Stamm des breiten Baumes hinter ihm. „Lass uns schlafen. Morgen haben wir einen langen Tag vor uns." Vielsagend wandte er den Kopf ab, schloss die Augen. Und verharrte in dieser Position. Auch wenn er die Augen am liebsten sofort wieder aufgerissen hätte. Die Stille, die mit der Dunkelheit hereinbrach, brachte ihm dieses Mal keinen Frieden. Nein, vielmehr gab sie Raum für allerlei unerwünschter Gedanken. Und egal wie er es drehte und wendete, meistens endeten diese bei...

Notos seufzte schwer auf, als er an den Abschied zurückdachte. Er hatte es sehr wohl gespürt. Ihr Zittern. Am liebsten hätten er Nirah in dem Augenblick noch fester umarmt. So lange, bis ihr Zittern aufgehört hätte. Aber es wäre unmöglich gewesen. Er wusste das. Was er nicht verstand, war das seit seinem Aufbruch anhaltende Gefühl, dass irgendetwas falsch war. Notos drückte seine Arme fester an sich, die Brauen dicht zusammengezogen. Nein. Lass sie gehen. Lass alles gehen. Konzentriere dich auf deinen Aufgabe. Er wiederholte sich diese Worte wie ein Mantra. Erfolg hatte er damit nicht wirklich. Das würde noch eine lange Nacht werden...

So zogen sich die ersten Tage dahin, immer mit demselben Ablauf: Er stand auf, noch bevor das erste Sonnenlicht durch die Blätter schien. Trainierte für eine Weile. Brach auf, sobald Jasper von seiner Jagd zurückkam. Dann marschierten er den ganzen Tag, ließ sich dabei von seinem Gefährten leiten. Notos trottete in einem zügigen Tempo voran, behielt dabei aufmerksam die Umgebung im Blick. Ständig begleitet von leisem Vogelgesang. Eine lange, eintönige Reise. Wenigstens schaffte er irgendwann einen Rhythmus zu finden, der es ihm erlaubte, in eine angenehme Gedankenlosigkeit zu fallen. Zumindest so lange, bis er abends ein Lager aufschlug. Nachts hatte er Zeit, sich mit seinen Gedanken zu beschäftigen. Die Erinnerung an die letzten Tage. Sein neu gewonnenes Wissen. Die stetig größer werdende Sorge, ob er rechtzeitig ankommen würde. Was passieren würde, wenn er es nicht tun sollte. Gerade an letzteres vermied er es strengstens zu denken.

Doch auch dieser Ablauf fand ein jähes Ende. Es war am selben Tag, als Jaspers das erste Mal kurz hintereinander den Kurs änderte. Was an sich kein Problem wäre - wenn es nicht nahezu die gegensätzliche Richtung gewesen wäre. Notos stoppte in seiner Bewegung, schaute seinen Partner fragend an: „Bist du dir sicher?" Ein frustriertes Schnauben erklang und der kleine Drache schloss die Augen. Seine Öhrchen zuckten unruhig. „Mach dir keinen Druck," versuchte er seinen Gefährten sofort zu beschwichtigen. „Versuch es nochmal in Ruhe. Keine Eile. Die Zeit haben wir." Das Federbündel brummte laut. Spannte seine Schwingen an und verharrte so für einen Moment. Nach einer Weile bekam er wieder eine Antwort. Jasper hatte die Richtung abermals leicht korrigiert. Sie wirkte diesmal logischer als die erste Angabe. Aber dafür deutlich unsicherer. „Nun gut, versuchen wir es", gab Notos zuversichtlich lächelnd von sich. Nur, dass er die unterschwellige Sorge nicht ganz aus seinem Kopf tilgen konnte. Der Gedanke, dass sie für Stunden in eine falsche Richtung gelaufen waren, war beunruhigend...

Solche Vorfälle wiederholten sich zunehmend öfter. Er versuchte die Frustrationen seines Partners zu mildern. Ihn zu beruhigen, dass alles in Ordnung war. In Wahrheit zerrte die Unsicherheit an ihm, so sehr er sie auch zu verstecken versuchte. Aber es war weiterhin alles in Ordnung. Sie würden das hinkriegen. Die Zeit, die Jasper zum erneuten Lokalisieren ihres Zielortes benötigte, holten sie wieder ein, indem sie nun bis zum Anbruch der Dunkelheit durchwanderten. Er strich ebenfalls seine morgendlichen Trainingsrunden. Später als am Morgengrauen aufzubrechen wurde zur Seltenheit - genauso wie durchgeschlafene Nächte. Immer öfter schreckte er aus seinem Schlaf auf. Unruhig, mit einem Puls, der viel zu schnell gegen seine Brustwand hämmerte. Wenigstens schlief er meist traumlos. Er wollte nicht wissen, welche Bilder sein Kopf zusammenspann, wenn ihn der Schatten der Beklemmung bis in den nächsten Tag verfolgte. Nun, wenigstens erwiesen sich geröstete Feuerbeeren tatsächlich als wunderbares Mittel zum wachhalten.

Die Tage verliefen schleppender. Immerhin waren sie gestern nach Tagen voller wurzelübersäter Pfade auf einen breiten Fluss gestoßen. Zum Glück. Seine Wasservorräte waren gefährlich zu Neige gegangen. Seine Hoffnung tat es auch. Notos seufzte leise auf, was im Rauschen der Strömung neben ihm unterging. Er richtete seinen Blick zum Himmel, der inzwischen besser sichtbar war, nun da der Fluss eine breite Schneise in den Wald fraß. Und ließ keinen Moment später wieder seine Schultern hängen, den Blick gen Boden gerichtet. Ein bitteres Auflachen blieb in seiner Kehle stecken. Fast hätte er es in Erwägung gezogen. Ein Gebet an die Götter zu richten. Sie um Hilfe zu bitten. Wenn er an die Macht der Götter glauben würde, hätte er es wohl getan.

Notos blieb stehen, als sich Jasper auf seiner Schulter verspannte. Mittlerweile bohrte der Drache seine Krallen regelmäßig in seine Haut, auch ohne ihm eine Nachricht übermitteln zu wollen. Es verging während ihrer Reise kein Augenblick, an dem das Gefieder seines Partners nicht genervt aufgebauscht wäre. „Jasper...", begann Notos ruhig. Lächelte dabei besänftigend. Die Antwort darauf war lediglich ein tiefes Knurren „Willst du nicht einen Rundflug über die Wälder machen? Vielleicht hilft es dir bei der Orientierung. Ich könnte währenddessen versuchen, uns zur Abwechslung mal was zu fangen". Vor allem würde er zur Abwechslung mal ein Tier haben, das er sowohl erlegen als auch zubereiten konnte. Eine Sache, die ihm sein Vater erfolgreich einprägen konnte. Und sein Partner konnte etwas zum Essen vertragen. Vielleicht würde es seinen Frust mildern.

Jasper gab ein gereiztes Brummen von sich, hob aber schließlich mit ein paar kräftigen Flügelschlägen wirklich ab. Notos beobachtete seinen Partner nur für eine Weile, bevor er seine Hellebarde mit der Spitze zum Boden umdrehte und zum Fluss lief. An einigen Stellen fiel das Wasser wie kleine Wasserfälle über die glatte Felsen, während an anderen Stellen ruhigere Becken entstanden. Er blieb jedoch nahe einer Einmündung stehen – und wartete. Jasper würde eine Weile brauchen, bevor er wieder zurückkam. Mit etwas Glück wären sie bis zu seiner Rückkehr um eine Mahlzeit oder zwei reicher.

Der kleine Drache indes flog enge Schlaufen über dem Meer aus endlosen Grün. Erweiterte erst nach und nach seine Kreise, sobald er sich sicher war, dass keine interessante Energiequelle in der Nähe war. Er verstand es nicht. Manchmal waren die Energiestränge klar, zogen ihn geradezu zu sich. Nur um dann zu schlackern und zu verschwimmen. Ab und an verschwanden sie sogar vollkommen, tauchten dann wie aus dem Nichts an einer anderen Stelle wieder auf. Wenigstens schienen sie am Fluss entlang etwas klarer zu sein. Dennoch, es war überaus – oh, was war das?

Jasper blieb mitten in der Luft stehen, als er eine Energiequelle erfasste, die ihm vage bekannt vorkam. Flammen. Es war nur ein winziger Punkt, aber er ähnelte der Flamme eines Feuers. Wenngleich verworrener und... anders. Wie anscheinend so ziemlich jede Energie in diesem Gebiet. Der Drache gab ein abfälliges Schnauben von sich, flog aber dichter an die Baumkronen ran. Je näher er der Quelle kam umso vertrauter kam ihm diese vor. Nach kurzem Hadern vollführte das Federbündel einen lautlosen Sturzflug inmitten der Bäume. Leise pirschte er sich näher an die flammende Energie ran. Nutzte dabei seine Fähigkeit, um so unbemerkbar wie möglich zu bleiben. Bis... Mit einem mal richtete er sich aus seiner lauernden Haltung auf. Oh. Sein Schweif zuckte freudig in die Höhe, als er die Person erkannte. Heiler-Mädchen! Dann legte er den Kopf schief. Was machte sie hier?

Noch für eine ganze Weile beobachtete der Drache die Heilerin bei ihrem Tun. Blinzelte nachdenklich. Dann duckte sich Jasper, stieß sich von seinem Ast ab – und sprang ihr von hinten mitten auf die Schulter.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 07.11.2023 10:49.

Saphyr

26, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 03.11.2023 02:17

Nirah erstarrte endgültig, als Notos' Hand auf ihrem Kopf landete. Im nächsten Moment lag ihre Stirn an dem rauen Stoff seines Oberteils. Ihre Arme hingen schlaff herab, während er sie umarmte. Er war warm. Tröstlich warm. Zitternd schnappte sie nach Luft. Selbst nachdem er sie los ließ, bewegte sie sich nicht. Sie starrte weiterhin die Wand an, versuchte nur nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Notos brach auf, verschwand. Nirah verharrte an Ort und Stelle, blinzelte. Schließlich sah sie auf und entdeckte mehrere Augenpaare, die sie beobachteten. Fast alle Dorfbewohner drehten sich sofort weg und taten so, als hätten sie nichts gesehen. Nur einer nicht. Devon sah ihr direkt in die Augen. Er versteckte nicht die ungläubige Erheiterung, die sich zunehmend in eine provokante Grimasse verwandelte. Nirah unterbrach den Blickkontakt. Er grinste zufrieden, hob das Kinn und stolzierte davon. Endlich setzte der Fluchtinstinkt ein.

Die Tür krachte laut ins Schloss. Nirah befand sich mitten im Raum. Ihr Atem ging zu schnell und sie sah angestrengt blinzelnd nach oben. Weißhaar blieb ruhig sitzen und musterte sie mit seiner immerwährenden Ruhe. "Hat es funktioniert?" brachte sie gepresst heraus. "Denkst du, du hast dein Zeichen bekommen?"
"Ja." Sie zitterte und ihre Stimme auch. "Ich weiß nicht?" Widersprüchliche Gefühle wanderten über ihre Miene. "Es hat nicht funktioniert, oder?" Ein lautes Schluchzen entkam ihr und ihre bis jetzt verbleibende Kontrolle zerbröckelte. Sie versuchte ihr Gesicht zu verstecken, nicht den anbrechenden Fluss von Tränen zu zeigen. Selbst wenn sie es geschafft hätte, konnte sie doch nicht das Beben ihres gesamten Körpers verbergen oder das immer stärker werdende Schluchzen. Sie war wütend, verwirrt, traurig, frustriert. Es fiel ihr schwer, genau auszumachen, was sie war. Auf einmal war da Weißhaar, der sie behutsam in einen anderen Raum führte. "Es ist nicht schlimm, Nirah. So etwas lässt sich nicht erzwingen" Er wollte sicher tröstend klingen, verstärkte aber nur Wimmern. Ihre Füße gehorchten und sie fand sich in einem kleinen Schlafzimmer wieder. Ihr Mentor versorgte sie mit Decken, dann war sie alleine. Sie fiel auf das Bett, vergrub sich darin und hoffte, sie müsste nie wieder daraus hervorkriechen.

In den nächsten Tagen fraß sich die Erkenntnis über ihr Versagen noch tiefer in ihr Bewusstsein. Wieder und wieder sprach sie davon, ob sie etwas übersehen hatte. Weißhaar erinnerte sie daran, dass sie es wissen würde, wenn sie ihr Zeichen erhielt. Aber sie wusste gar nichts. Ihre Träume blieben aus. Der Wolf zeigte sich nicht mehr, hinterließ auch keine Hinweise. Sie suchte nach ihm, seinen Pfotenabdrücken, nach einem Büschel Fell oder irgendetwas anderem, das auf seine Anwesenheit schließen ließ. Und wie sie suchte. Es war, als hätte die heilige Mutter sie vergessen. Wie sollte sie irgendetwas unternehmen, wenn sie nicht wusste was? Sie hatte geschrien, gefleht. Nichts änderte sich. Sie war gezwungen, weiterhin die Schülerin zu spielen.

Die Tag-und-Nacht-Gleiche rückte in großem Tempo näher und Weißhaar verplante wie immer ihre gesamte Zeit für die Vorbereitungen. Auf dem Dorfplatz wuchs ein gewaltiger Stapel Holz. Bald schon schmückten Sommerkränze das ganze Dorf. Ihr eigener verstaubte in ihrer Hütte, direkt neben der Ring-Kette und dem Zahn. Sie hatte alles aus dem Heilerquartier geholt und aufgeräumt. Bis auf die beiden Windtänzer. Beinahe hätte sie die Kette übersehen, die über einem drapiert gewesen war und seine beruhigende Melodie gedämpft hatte. Das musste Notos gemeint haben, bei seinem Abschied. Notos. Sie verbot sich an ihn zu denken und sie verstand nicht, wieso er ihr dieses Geschenk gemacht hatte. Nicht einmal über den Fangzahn, der auf dem Boden gelegen hatte, direkt unter dem Windtänzer, freute sie sich. Was sollte sie mit zwei Monsterzähnen? Trotzdem arbeitete sie an dem verschollen geglaubten Zahn, wann immer sie konnte. 

"Du sollst dich entspannen." Weißhaar saß ihr im Schneidersitz gegenüber, mitten im Wald, unweit vom Dorf entfernt. "Ich weiß wie man meditiert!" fauchte Nirah. "Du tust es aber nicht." stellte ihr Mentor fest. "Genauso wenig, wie du das Ritual übst. Du hast kaum an dem Strängen gezupft." Er lag nicht ganz falsch. Sie riss die Augen jedes Mal sofort wieder auf, sobald sie diese schloss und trommelte ungeduldig mit den Fingern. Seit Notos' Aufbruch wollte ihr keine einzige Meditation gelingen und erst recht kein Hauch von Magie. Inzwischen prüfte sie gelegentlich, ob sie die Energieströme überhaupt noch spürte. 
"Ich kann es schon." Weißhaar seufzte schwer, bei ihrer Antwort. "Natürlich kannst du es. Dann kannst du es wohl auch ausführen, oder? Darf ich dich erinnern, dass ich extra die gemeinsamen Übungen für dich gestrichen habe? Devon hat schon angemerkt, dass er sich gerne mehr mit der Gruppendynamik vertraut machen möchte. Und nicht nur er würde davon profitieren ..." Nirah schnaubte. "Devon! Devon kann mir gestohlen bleiben. Und Melia und diese Neue auch." Ihr Mentor sah sie mahnend, die Art von Ausdruck, die ihr klarmachte, dass sie es zu weit trieb. Normalerweise. Abrupt stand Nirah auf. "Ich habe genug geübt." knurrte sie und stapfte davon. "Das ist nicht an dir zu entscheiden!" Oh, sie hörte die Schärfe in seiner Stimme. Sie hörte und ignorierte sie. "Ich schicke die anderen", rief sie über ihre Schulter nach hinten, ohne sich umzudrehen. 

Im Dorf wurde sie verfolgt von wispernden Stimmen, die immer dann verstummten, wenn sie sich nach ihnen umsah. Sie hatte wirklich vor, wenigstens den restlichen Wächterlehrlingen Bescheid zu geben. Es auszuhalten. Allerdings lief ihr zuerst Devon über den Weg. Von allen, musste es ausgerechnet er sein. Statt an ihr vorbeizugehen, wandte er sich ihr zu und schenkte ihr sein süffisantestes Lächeln. "Schon zurück?" fragte er unschuldig. "Such den Rest und bring sie zu Weißhaar. Beim Baumstumpf mit den Pilzen. Ihr sollt fürs Fest üben." So, sie hatte es hinter sich. Sofort machte sie kehrt und lief davon. "Das ist die falsche Richtung, das weißt du?" Devon folgte ihr. Nirah erhöhte ihr Tempo. "Was machst du?"
"Geht dich nichts an." Sie hörte ein leises Lachen hinter sich. "Du drückst dich wieder. Seitdem dieser Kerl weg ist, bist du gar nicht mehr du selbst" Devons Stimme triefte vor falscher Besorgnis. "Ah, du vermisst ihn", sagte er, als wäre ihm der Gedanke eben erst gekommen. Nirah stoppte und Devon lief beinahe in sie hinein. Dieses Mal würde ihre Faust in seinem Gesicht landen. Das war längst überfällig. "Ich meine, drei Tage ganz alleine, nur ihr zwei ... Niemand verübelt es dir, dass du dich mit ihm angefreundet hast. Dass du in diesen Dingen besonders schnell bist, wissen wir ja." 
Nirah wirbelte herum, holte aus. Doch Devon sprang aus ihrer Reichweite. "Es geht dich nichts an, habe ich gesagt! Du hast keine Ahnung, wovon du redest", schrie sie in einem viel zu hohen Ton. "Gar keine Ahnung. Also halt den Mund, Devon. Halt einfach den Mund. Bei der heiligen Mutter, wenn du noch einmal deinen dämlichen Mund aufmachst, breche ich deine Nase und teile ihr am besten gleich mit, wen sie auf keinen Fall zum Wächter machen sollte." Sie hob drohend die Faust. "Als ob du das könntest." zischte Devon leise. "Aber gut gemacht", flüsterte er, warf einen vielsagenden Blick zur Seite. Dann zuckte er mit den Schultern, hakte die Daumen in seinen Gürtel und ging kopfschüttelnd gen Wald. Alle starrten sie an, endlich verstummt. Nirah wischte sich die Tränen der Wut aus den Augen während sie rannte.


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Antworten Zuletzt bearbeitet am 03.11.2023 02:49.

Zladune

27, Weiblich

  11. Ghostwriter

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 29.10.2023 20:15

So groß seine Freude darüber sein mochte, hier über Nirah zu stolpern, sie wurde nicht erwidert. Seine unruhige Energie traf auf eine undurchdringbare, kühle Wand.
Ach, Abschied. Notos schaute sofort überrascht auf, als ihn die Schärfe der Worte traf. Musterte verwundert das Gesicht vor ihm. Fand jedoch nichts außer angespannten Zügen und einer finsteren Kälte. Augenblicklich zog er den Kopf ein. Warum überfiel ihn das Gefühl, dass er irgendetwas falsch gemacht hatte? Seine Finger bohrten sich verkrampft in seinen Nacken. „Natürlich habe ich Zeit dafür", erwiderte er auf den kaum versteckten Vorwurf der Heilerin. Er würde sich immer Zeit für einen Abschied nehmen. Schließlich wusste er am besten... Notos schluckte befangen, wich einen winzigen Schritt zurück. „Ich wäre gekommen. Hab dich nur noch etwas länger schlafen lassen wollen", versuchte er leise zu erklären. Es klang selbst in seinen Ohren wie eine Ausrede.

Einen Moment lang sah er suchend in Nirahs Augen. Hoffte darauf, den kleinsten Funken von Verständnis in diesen zu sehen. Er hoffte vergebens. Jetzt geh endlich. Getroffen verzog er das Gesicht. Senkte langsam seinen Kopf, ließ seinen Arm wieder fallen. Stieß gepresst die Luft aus. Und schaffte es dennoch nicht der klaren Anweisung Folge zu leisten. Er verharrte weiterhin wie angewurzelt an Ort und Stelle, nicht gewillt, sich zu rühren. „Nirah, ich...", versuchte er erneut das Wort zu ergreifen.

Hinter ihm erklang Weißhaars Stimme, dicht gefolgt von einem Fauchen, welches Jasper stolz gemacht hätte. Dann machte es den Anschein, als würde die Heilerin endgültig das Gespräch beenden und flüchten. Oder...doch nicht? Verwundert verfolgte Notos, wie Nirah ihm den Rücken zudrehte und ging. Nur um abrupt wieder kehrt zu machen und seine Hand zu packen. Überrumpelt ließ er sich widerstandlos nach draußen mitziehen. Falls er erwartet hatte, dass sie sofort durch die nun offenstehende Tür verschwinden und ihn stehen lassen würde, so lag er falsch. Sie ließ ihn stehen – und sich gleich mit dazu.

Notos wagte es kaum zu atmen, während Nirah vor ihm offensichtlich mit sich rang. Als würde eine einzige falsche Bewegung ausreichen, dass sie sich doch umentschied und gehen würde. Doch diese Befürchtung trat nicht ein. Stattdessen... wünschte sie ihm abermals eine gute Reise? Deutlich weniger feindselig als zuvor jedoch. Er blinzelte verdattert. Mehrmals. Seine Brauen verzogen sich nachdenklich, während er sie vorsichtig betrachtete. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie... anders ihre Ausstrahlung wirkte. Unruhe. Sie war aufgewühlt. Weitaus stärker als sonst. Ihre Aura musste so wild flackern wie eine Flamme, die durch einen Luftzug zu erlöschen drohte.

Allmählich wich die Anspannung aus seinem Körper. Der Griff um seine Hellebarde lockerte sich. Er schloss kurz die Augen. Tätigte einen tiefen Atemzug. Einen weiteren. So lange, bis er zu seiner eigenen, vertrauteren Gefasstheit zurückfand. „Ich danke dir für alles. Ich werde das nicht vergessen.", fing er bedächtig an. Lehnte dabei seine Waffe gegen die Holzwand, den Blick zu Boden gerichtet. Dann hob er den ruckartig den Kopf an. Der Gedanke, der durch seinen Kopf blitzte, wanderte wie von selbst über seine Lippen. „Ich werde dich nicht vergessen."

Eine Zeit lang sah er Nirah stumm an, beinahe erstaunt über seine eigenen Worte. Nach und nach verschwand dieser verwunderte Ausdruck jedoch, hinterließ nichts als eine schwer zu verbergende, sanfte Wärme. Lächelnd erhob er eine Hand, legte diese sachte auf den Kopf der Heilerin ab. Dieses Mal würde seine Aura mit Sicherheit zu ihr rüberschwappen. Sollte sie sich doch über die ihre legen wie ein schützender Mantel. „Leb wohl, Feuerherz. Möge die heilige Mutter dir weiterhin den Weg weisen...", fing Notos an. Stockte kurz, bevor er seine andere Hand verhalten auf ihren Rücken legte und Nirah zu sich zog. Seine Berührung war flüchtig. Vorsichtig. Immer darauf achtend, bei dem kleinsten Widerstand sofort loszulassen. „...und der Wind dir den Rücken stärken", beendete leise mit belegter Stimme.

Notos beließ es bei dieser knappen Geste, nahm augenblicklich Abstand, nachdem er fertiggesprochen hatte. Auch wenn er diesen Moment gerne noch herausgezögert hätte, er sollte nicht. Aus mehreren Gründen. Er trat ein paar Schritte zurück – nicht jedoch, ohne der Rothaarigen ein letztes Mal leicht die Haare zu zerzausen. Selbst wenn sein vertrautes Necken dieses Mal von einer hartnäckigen Schwermut begleitet wurde.

Wie auch bei ihrem Lehrmeister, deutete Notos eine Verbeugung an, schnappte sich wieder seine Waffe, ehe er an ihr vorbeilaufen wollte. Nur um abermals in der Bewegung innezuhalten. Verhalten schmunzelnd drehte er sich zu ihr um: „Übrigens, ich habe dir noch eine Kleinigkeit dagelassen. Du solltest es nach dem Gespräch mit deinem Mentor wohl holen, bevor es jemand anders tut. Falls du es annimmst, natürlich." Eine Antwort wartete er nicht mehr ab. Er nickte ihr lediglich zu, bevor er sich einen Ruck gab und seinen Weg fortsetzte.

Der entschlossene Ausdruck auf seinem Gesicht fiel, genau wie seine Geschwindigkeit, kaum dass er die Grenzen des Dorfes überschritten hatte. Das Grün des Waldes verschluckte ihn sofort, brachte ihn schnell aus der Sichtweite jeder Dorfbewohner. Inzwischen wirkte dieses Bild für ihn nicht mehr so befremdlich wie zu Anfang. Beinahe hätte er behauptet, die friedliche Ruhe des Waldes war ihm inzwischen so bekannt wie der Anblick eines alten Freundes. Und wo man von Freunden sprach...

Ein wohlvertrautes Gewicht landete auf seiner Schulter. Das elektrische Kribbeln erfolgte keinen Wimpernschlag später. „Es geht mir gut", fiel Notos seinem Partner ins Wort. Er erntete dafür einen skeptischen Blick, den Jasper ihm mit schief gelegenen Kopf zuwarf. Sein Gefährte kannte ihn leider etwas zu gut. Notos wandte den Kopf ab, auch wenn er den bohrenden goldenen Augen dadurch nicht entkam. „Ich hätte aber eine Bitte an dich.", versuchte er hastig abzuschweifen. Selbst wenn in dieser Ablenkung tatsächlich ein wahrer Kern lag. Notos griff in seine Tasche, präsentierte dem kleinen Drachen den seit letzter Nacht darin verborgenen Inhalt. Ein runder Ring aus reinem, erdig roten Jaspis war auf der offenen Handfläche zu erkennen. Derselbe Ring, den er vor zwei Tagen noch selbst getragen hatte. Nun war der Ring zusammen mit zwei Daunenfedern von Jasper auf einem Lederband aufgehangen.

„Würdest du zurückfliegen und diesen Anhänger bei den Hütten ablegen? Egal wo. Hauptsache Nirah findet ihn." Sofort verengte Jasper seine Augen und funkelte ihn verurteilend an. Schuldbewusst seufzte Notos auf. „Gib mir gar nicht erst diesen Blick. Ich weiß. Du musst es mir nicht noch mehr reinreiben... kannst du mir nicht einfach aushelfen?"

Wenn er die Augen verdrehen könnte, hätte Jasper es bestimmt getan. Sein Partner schnaubte abfällig. Schließlich nahm der Drache das Lederband jedoch behutsam zwischen die Zähne, stieß vielsagend einen letzten elektrischen Stoß in seine Schultern, bevor er abhob und zwischen den Bäumen verschwand. Notos sah ihm noch für eine Weile nach, bevor er sich losriss und tief in Gedanken verloren weitermarschierte. Wie hatte Nirahs Lehrmeister gesagt? Er hatte noch einen langen Weg vor sich. Er durfte sich keine weiteren großen Ablenkungen mehr leisten, wenn er noch rechtzeitig ankommen wollen. Und das musste er. Koste es, was es wolle.



Antworten Zuletzt bearbeitet am 01.11.2023 14:33.

Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 28.10.2023 00:48

Durch die Tür kam nicht der gewohnte Laut von Zustimmung. Stattdessen bewegte sie sich wie von alleine. Ein Gesicht mit einem hellen Haarschopf erschien. Ihm fehlten die Falten, auch wenn das Haar nahe an den richtigen Farbton heran kam. Nirah blinzelte. Sie öffnete den Mund und starrte einfach nur. Ihre Miene verfinsterte sich umgehend. 
Notos. Wieso war er noch hier? Und warum war er von allen möglichen Orten, genau dort wo sie hin wollte? Im Weg. Als stünde er zwischen ihr und ihrem Schicksal. Sie tippte mit einem Finger auf ihren Oberarm. Auf und ab. Notos erklärte, ohne Luft zu holen, dass er gleich gehen würde. Sein ganzer Körper schrie nach Aufbruch. Er konnte ja kaum seine Füße still halten.
"Ach, Abschied." sagte sie schnippisch. "Hast du denn Zeit dafür? Ich dachte du hast es eilig. Aber welch ein Glück, dass wir uns noch einmal zufällig über den Weg laufen. Der Weg zu den Quartieren ist ja so schrecklich weit."

Er wäre gegangen. Ganz sicher wäre er gegangen ohne sich zu verabschieden. Er sollte eigentlich längst weg sein, auf und davon. Sie knirschte mit den Zähnen und einen Moment lang sahen sie sich stumm an. Es wäre besser gewesen, wäre er einfach gegangen. Nirah zog die Arme enger um sich. Im Hintergrund sah der alte Weißhaar einmal auf, sah sie an und widmete sich dann wieder seinem Tisch. Sie stieß die Luft aus. "Das ist der Abschied. Jetzt geh endlich." bestätigte sie deutlich gedämpfter. Sie machte einen Schritt zurück und winkte ihn hinaus. Ein weiterer Blick. "Gute Reise. Und möge die Mutter, dich leiten." würgte sie hervor und ihre Stimme quietschte passend zur Tür. "Nirah." ertönte es hinter Notos sanft. "Ist ja gut!" fauchte sie. Ihre Kehle wurde enger.

Unvermittelt drehte sie sich um und zeigte Notos den Rücken. Sie schluckte mehrmals. Dann machte sie ein paar schnelle Schritte, erstarrte, ballte die Fäuste, ging zurück und schnappte sich Notos' Handgelenk. Zu Boden sehend, zog sie ihn aus dem Türrahmen nach draußen. Die Tür schwang knarrend hinter ihm zu. So stand sie vor ihm. Und schwieg. Den Kopf zur Seite gedreht, die Augenbrauen tief über ihren Augen, sah sie nur die Holzwand. "Ich..." Sie räusperte sich einmal, zweimal. "Ich wünsche dir eine gute Reise." murmelte sie. Es war ernst gemeint. Sie hoffte wirklich, dass sie zu seiner sicheren Heimkehr beigetragen hatte. Sie hoffte das restliche Gift würde ihm keine Probleme machen. Und sie hoffte, dass... Sie schluckte wieder. "Viel Glück." Das war alles. Sie konnte nicht mehr sagen. Ihre Füßen waren derweil am Boden festgewachsen. Ihr Hals war wie zugeschnürt und kein weiteres Wort fand hindurch. Nicht, dass es überhaupt Wörter gab die nach draußen wollten. 
Nirah stand einfach da, den Blick eisern abgewandt und regungslos. In der Hoffnung entweder sie oder Notos mochten plötzlich spontan verschwinden. Die Erde könnte sie verschlucken. Doch diesen Wunsch konnte wohl nicht einmal die heilige Mutter höchstpersönlich erfüllen. Also würde sie hier stehen. Und warten. Bis Notos wortlos ging. Wie er es längst hätte tun sollen. 


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Zladune

27, Weiblich

  11. Ghostwriter

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 26.10.2023 23:00

Auch nach Notos' Ankündigung blieb der alte Lehrmeister ruhig. Er wirkte keinen Deut überrascht über seine Pläne. Wie zu erwarten.
Wie der Flügelschlag eines Drachen, korrigierte Notos im Stillen die verständnisvollen Worte des Wächters. Dieser Inselbereich und seine ungewohnten Redewendungen. Was sollte das überhaupt bedeuten? Die meisten Vögel waren weder sonderlich rastlos noch schnell? Er war sich nicht sicher, ob das eine der Weisheiten der Älteren war oder ob sich Nirahs Mentor ein Wortspiel auf Kosten seines Erkennungsnamens gönnte. Wie dem auch sei, er versuchte sich den sachten Hauch von Verwirrung nicht anmerken zu lassen.

Er scheiterte kurz darauf. Als der ältere Mann nähertrat, wartete Notos wie befohlen geduldig, ohne sich zu regen. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Hand, die mit sanften Druck auf seiner Schulter landete. Nur allmählich löste sich die vorsichtige Anspannung, die ihn beim Anblick des erhobenen Arms befallen hatte. Stattdessen schmunzelte er verhalten. Tatsächlich erinnerte ihn dieses Verhalten ein wenig an Lux – selbst wenn dem Schlag eine gewisse überschwängliche Stärke und Herzlichkeit fehlte. Dennoch...eine befremdlich freundschaftliche Geste für einen Mentor und Wächter seines Ranges. Oder?

Falls der Lehrmeister sein inneres Hadern bemerkte, so sagte er nichts dazu. Stattdessen sprach er einfach weiter. Wärme blitzte in Notos' Augen auf, als der alte Lehrmeister die Kinder erwähnte. Unwillkürlich begann er zu lächeln. Ein Lächeln, welches keinen Moment später von einer schwer deutbaren Nachdenklichkeit umhüllt wurde. Unter anderen Umständen hätte er angefragt, länger bleiben zu können. In einem anderen Leben wäre er hier vielleicht sogar geboren worden. Hätte als Krieger an der Seite dieser Leute gestanden. Vielleicht wäre er sogar selbst Mentor geworden und hätte mehr Zeit mit den Kindern verbringen können. Hätte ihnen beim Lernen helfen können. Sie beim Aufwachsen begleiten können.

Es war unmöglich.
Notos unterdrückte ein Seufzen. Lächelte lediglich. Ein wenig matt. Aber neben der Schwermut fand sich auch eine beinahe zufrieden wirkende Akzeptanz in seiner Stimme: „Ich habe vermutlich keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, um wirklich länger vermisst zu werden." Im selben Moment, als er diese Worte aussprach, hätte er sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Sofort senkte er den Kopf, vermied einen direkten Blickkontakt mit dem Wächter. Was war los mit ihm? Er hätte den Unwissenden spielen sollen. Jetzt hatte er mehr oder weniger verraten, dass es stimmte, dass er Zeit mit seinen jungen Schützlingen verbracht hatte. Er konnte nur hoffen, dass dies keine Nachfolgen für sie haben würde. Sein Mentor hätte diesen Fehltritt niemals geduldet. Einfach so Informationen preiszugeben. Der Abend mit Nirah hatte ihn wohl gesprächig gemacht.

Nirah. Notos ließ die Schultern sinken. Nein, sie würde ihn am allerwenigsten vermissen. Und dennoch... Seine Gedanken wanderten zu dem kleinen Objekt in seiner Tasche. Er schluckte befangen. Dann versuchte er mit einem aufmunternden Lächeln die Konversation mit dem alten Wächter zu Ende zu bringen. Der sich weiterhin in eine befremdliche Freundschaftlichkeit hüllte. Und sich sogar vor einem Fremden wie ihn verbeugte? Notos erwiderte hastig die Geste, schaffte es aber nicht, die stumme Verwunderung gänzlich zu verbergen.

 

Er verstand es nicht ganz. Weder das ungewohnte Verhalten des Dorfwächters, noch dessen Sorge für einen Außenseiter wie ihn. Nicht jeder war ihm wohlgesonnen und er zog Aufmerksamkeit auf sich? Seine Mundwinkel verzogen sich etwas. „Ich bin es gewohnt.", gab er mit dem Anflug eines schiefen Grinsens von sich. Verriet dabei nicht, auf welche Aussage des Lehrmeisters er sich bezog. „Aber ich danke für die Warnung", meinte er aufrichtig. "Ich werde sie so gut wie mir möglich beherzigen."

Das war es dann wohl. Inzwischen entspannter als zuvor blickte Notos dem Mann dankbar lächelnd hinterher. Er hatte erledigt, weshalb er gekommen war. Langsam drehte er sich um. Trat einen Schritt auf die Tür zu. Und stockte. Vielleicht könnte ja er... Mit einer Hand fasste er in seine Tasche. „Ich hätte vielleicht noch ein Anliegen, wenn ich dürfte." Eine halbe Umdrehung. Ein Schritt auf den Wächter zu. Dann haderte er wieder. Eine geraume Zeit sah der den Weißhaarigen schweigend an. Und zog seine Hand schließlich aus seiner Tasche, ohne etwas hervorgeholt zu haben. Zeig dich ihr selbst, bevor du gehst, du Feigling! Ein ergebenes Seufzen erklang, bevor Notos dem Lehrmeister wieder in die Augen sah. Ein sanfter Ausdruck umspielte sein Lächeln. „Nirah ist... eine bemerkenswerte Person. Ihr könnt stolz darauf sein, ihr Mentor sein zu dürfen. Passt gut auf sie auf."

Notos nickte respektvoll, bevor er sich endgültig umwandte und zur Tür schritt. Er war gerade im Inbegriff den Türgriff zu nehmen, als ein Klopfen erklang. Dann ein zweites. Und noch während das dritte leise im Raum erklang, öffnete er mit leisem Knarzen die Tür.

Oh. Die Person kannte er. Notos blinzelte verdattert. Dann begann er freudig zu strahlen: „Nirah?" Noch im selben Augenblick war das eben geführte Gespräch vollkommen in den hintersten Winkel seines Kopfes geschoben. „Ich dachte, du schläfst noch." Ja, was tat sie eigentlich so früh hier? Obwohl... Sein Blick huschte zu dem alten Wächter, dann wieder zu der Rothaarigen. Hatte deswegen ihr Lehrmeister so ausgesehen, als ob er jemanden erwarten würde?

Sofort schlich sich eine gewisse Eile in Haltung. „Verzeih. Ich werde dich nicht lange aufhalten. Es ist nur..." Verhalten rieb er sich den Nacken. Großartig angefangen, Notos. Unsicher presste er die Lippen aufeinander, bevor er einmal tief Luft holte. Ein schwacher Versuch, um sich zur Ruhe zu zwingen. Es gelang ihm zumindest teilweise. „Ich würde gerne gleich aufbrechen wollen. Das bedeutet..." Er lächelte betreten: „Das hier ist wohl Abschied?"



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Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 26.10.2023 02:09

Anduin murrte zustimmend, als es an der Tür klopfte. Den Fremden, der von Nirah angeschleift worden war, hatte er nicht erwartet. Überraschend war sein Auftauchen und vorallem der förmliche Abschied trotzdem nicht. Der Wächter musterte den Krieger still, nickte einmal. Er sah gesund aus, seine Wangen glänzten leicht rosa und seine Haltung war sicher und gerade. "Natürlich wirst du gehen. Die Jugend ist so rastlos wie der Flügeschlag eines Vogels." Er lächelte. "Gib einem alten Mann einen Moment." ächzte Anduin und erhob sich von seinem Platz. Er streckte die tauben Glieder, dann näherte er sich Notos bis er direkt vor ihm stand. Sie waren etwa gleich groß. In einer freundschaftlichen Geste klopfte er ihm auf die Schulter. Etliche Fältchen legten sich um seine blassen Augen, als er wohlwollend lächelte.

"Sorge dich nicht, junger Donnerschwinge. Wir haben dich gerne aufgenommen. Du bist uns nichts schuldig. Ich glaube sogar, dass eine gewisse Schar Kinder dich vermissen wird." verkündete er und zwinkerte dabei schelmisch. Er seufzte. "Dies könnte tatsächlich unser letztes Treffen sein. Aber wer weiß. Ich kann vieles, doch das vermag ich nicht zu sehen." sagte er, ließ die Hand fallen und blickte Notos undeutbar an. "Du hast einen langen Weg vor dir. Ich weiß nicht genau, wohin er dich führen wird. Möge die heilige Mutter dich stets auf deinem Pfad leiten." Anduin legte die Hand genauso wie der Krieger zuvor auf seine Brust und deutete eine Verbeugung an. Ein Zeichen des Respekts und der guten Wünsche für den Jüngeren. "Ich rate dir in der Gegend etwas aufzupassen. Nicht jeder mag dir wohlgesonnen sein. Du ziehst etwas Aufmerksamkeit auf dich. In mehr als nur einer Hinsicht." fügte Anduin schließlich in einem ernsten Tonfall hinzu. Er trat einen Schritt zurück und nickte. "Auf Wiedersehen, Notos Donnerschwinge. Gute Reise. Und viel Glück." 
Der alte Wächter trottete zu dem Tisch zurück und setze sich schwerfällig nieder. 

---

Sanftes Licht fiel durch die Blenden und weckte Nirah. Nicht viel, nur genug um den Morgen anzukündigen. Eigentlich hätte sie weiterschlafen sollen. Aus irgendeinem Grund schmerzten ihre Glieder und ihr Verstand war umwölkt von einer ruhelosen Nacht. Traumlos. Sie wusste, dass mehr Schlaf ihr gut getan hätte. Trotzdem trieb sie etwas aus dem Bett. Heute war der große Tag. Wieso fühlte er sich so unspektakulär an?
Erst dachte sie, es käme aus dem Wald. Klack. Klack. Klack. Sobald sie aus der Hütte kam, umfing das ungewohnte Geräusch sie. Es war nicht sehr laut und folgte keinem eindeutigen Rhythmus. Und es erklang aus zwei verschiedenen Richtungen. Nirah sah nach hinten und entdeckte ein träge schwingendes Holzgebilde. Jeder Windhauch schlug die herabhängenden Äste gegeneinander. Ein Windtänzer. Notos musste ihn platziert haben. Um sicherzugehen lief Nirah zu der anderen Hütte. Tatsächlich, hier war noch einer. Wann in aller Welt hatte er beide fertiggestellt?  Notos. Er war nirgends zu sehen. Sie klopfte an die Außentür, dann nochmal an die zu seinem Zimmer. Schließlich trat sie ein. Er war nicht hier. Dieses Mal fand sie den Schrank leer vor.

Nirah kickte draußen ein paar Steine aus dem Weg, die dumpf im Gebüsch landeten. Er hatte sich nichteinmal verabschiedet! Hatte nur alle seine Sachen geschnappt und war gegangen. Natürlich, gestern war der letzte Abend gewesen. Dennoch setzte sich ein drückender Ärger in ihrem Bauch fest und schmorte dort vor sich hin. Sollte er doch gehen! Ohne ihn konnte sie endlich zu ihrer eigenen Behausung zurückkehren. Sie brauchte ihn nicht mehr. Nicht, dass sie ihn jemals gebraucht hätte.
Nicht sie war die mit der beinahe tödlichen Vergiftung gewesen. Nicht sie hatte sich verirrt. Sie hatte ihm geholfen, wie es die Vision hatte sagen wollen. Blaue Augen hatten sie geführt. Nun konnte sie endlich beweisen, dass sie ihrer Berufung würdig war. Sofort flatterte es in ihrer Brust. Wie sollte sie ihrem Mentor gegenübertreten? Trotz all ihrer Mühen gab es kein Zeichen. Hatte sie es verpasst? Sie sah zu Boden und untersuchte kritisch die Blätter, Äste und Steine vor sich. Vielleicht verspätete es sich. Gab es das? Zwischen den Bäumen funkelten auch keine Wolfsaugen. Der verfluchte Wolf hatte sich seit gestern nicht mehr gezeigt. Dabei war sie so nahe an ihm dran gewesen. Und dann war er einfach verschwunden, ohne irgendeine Form von Botschaft. 

Sie versuchte es mit Meditation, erwischte sich aber dabei, wie sie ständig die Augen aufriss und ins Dickicht starrte. Wenig später gab Nirah es auf. Den Geist voll wirrer Gedanken, sich ständig die Handgelenke reibend, schlug sie den Weg ins Dorf ein. Vor der Tür ihres Mentors atmete sie einmal ein und langsam aus. Der alte Weißhaar würde wissen, wie sie die Situation deuten sollte. Sie hob die Faust und klopfte dreimal. 



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Zladune

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 19.10.2023 21:34

Notos ließ das zarte Flämmchen seiner wiedergefundenen, lockeren Laune nicht erneut erlöschen. Diese Macht wollte er seiner Blindheit nicht geben. Möglichst nie wieder. Nirahs überaus skeptischer Blick, den sie ihm bei der Erwähnungen seiner Taschenspielertricks zuwarf, machte ihm diesen Vorsatz nur zu einfach. Es war ihm unmöglich, das leise, heitere Lachen niederzukämpfen. Ob er Dinge hinter den Ohren anderer Leute verschwinden lassen konnte? Noch während sie das aussprach, huschten seine Augen zu der unscheinbaren blauen Blume, die inzwischen neben ihr lag. Nur um keinen Moment später seine Aufmerksamkeit wieder schmunzelnd auf Nirah zu richten: „Ich könnte. Aber ich lasse lieber Dinge auftauchen." Seine Lippen verzogen sich zu einem neckenden Grinsen. „Und manchmal leuchten sie auch." Kurz streckte er seine Finger aus, überlegte es sich dann aber anders. Nirah war kein Kind. Und was hätte er ihr schon zeigen können? Einen Wolf? Er konnte doch noch nicht mal mit Gewissheit sagen, wie einer wirklich aussah.

Stattdessen entschied er sich, ihr noch eine weitere Erklärung zu schenken. Seine Energieströme, die Wirkung, die diese haben konnten... Er sah, wie nach einer Weile etwas in Nirahs Augen aufblitzte. Es war jedoch schwer zu sagen, was es war. Überraschung, dass er ihr doch so viel über sich erzählte? Verständnis? Ihr knappes "Ich verstehe" half ihm dabei nicht weiter – das unterschwellige Grollen in ihrer Stimme hingegen schon. Vorsichtig lächelnd zog er den Kopf ein. Warum hatte er plötzlich das Gefühl, dass er irgendetwas verbrochen hatte? Musste wohl daran liegen, dass Neela ihn immer in einem ähnlichen Tonfall angefunkelt hatte, wenn er was angestellt hatte.

Die Spannung wich jedoch erstaunlich schnell aus Nirahs Haltung, ließ stattdessen Platz für... einen unscheinbaren Hauch von Unsicherheit? Seine Brauen zogen sich fragend zusammen, während er den Kopf leicht schief legte. Irgendwie kam er nicht umhin zu denken, dass Nirah ihm eigentlich etwas für sie sehr vertrautes mitteilte...
Notos versuchte ihren Blick aufzufangen, während sie von ihrem feinen Gespür für ihre Energien sprach. Die scheinbar fast an die ihres Mentors heranreichen konnte. Nein, nicht nur scheinbar. Er war sich sicher, dass ihre Worte nicht ihrer Überheblichkeit entsprangen. Je mehr ihm die Heilerin erzählte, umso mehr mischte sich in seinen zunehmend weicheren Ausdruck eine gewisse ernste Nachdenklichkeit. „Du hast also eine sehr starke Bindung zu deiner Gött.. ich meine zur Natur", gab er leise von sich, fast mehr zu sich selbst gesprochen. Die Energien der Natur, die Nirah mit ihrer heiligen Mutter verband, derartig stark spüren zu können ... es musste etwas Einzigartiges sein. Und doch... Ist wohl nicht immer einfach. Es lag ihm bereits auf der Zunge. Doch er schwieg. Selbst wenn sein Blick vermutlich Bände sprach. Er konnte auch so erahnen, was ihre Antwort darauf gewesen wäre. Du hast doch gar keine Ahnung, Donnerschwinge. Nein, selbst wenn ihr Sensibilität für die Energien irgendwelche Schattenseiten besitzen sollte – sein Mitgefühl und Verständnis würde sie sicherlich nicht haben wollen.

Für etwas anderes wäre sie hingegen anscheinend eher zu begeistern. Notos begann unwillkürlich zu schmunzeln, als sich der warme Schimmer des Feuers in Nirahs Augen verfing und sie kurz zum Strahlen brachte. Würde es ihr so sehr gefallen, mehr über seine Energien zu erfahren? Von ihm? Er würde sich beinahe geschmeichelt fühlen, wenn er den Wunsch nicht verstehen würde. Ihre Art der Energien interessierte ihn schließlich auch brennend. So schnell der Funke an aufrichtigem Interesse jedoch aufgetaucht war, so schnell erlosch er wieder.

Der plötzliche Umschwung in ihrer Laune traf ihn wie ein eisiger Windstoß. Instinktiv lehnte er sich etwas zurück und erstarrte. Blinzelte lediglich verdattert, als sie nach ihren scharfen Bemerkungen ruckartig aufstand. Nirahs Ausbruch fühlte sich seltsam persönlich an. Beinahe getroffen. Aber weshalb? Er hatte nur verkündet, was ihnen beiden klar war: er würde gehen. Wie abgemacht. Hätte sie an dieser Stelle nicht Luftsprünge machen sollen? Sie hatte ihm mehrmals deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht viel von seiner Anwesenheit hielt. Warum also...?

Jaspers Kopf tauchte aus den Tiefen der Schüssel empor, als er den harschen Ton der Heilerin vernahm. Wie auf Stichwort sprang er die Schulter seines Partners, als die Rothaarige verkündete, ob dieser überhaupt die Richtung seines Ziels kannte. Der kleine Drache starrte der Frau intensiv in die Augen. Protestierend breitete er seine Schwingen aus, als sogar angezweifelt wurde, ob Notos auf sich aufpassen konnte. Eine beschützerische Geste. Natürlich würde seinem Gefährten nichts passieren – schließlich passte er auf ihn auf.

Notos indes achtete auf etwas völlig anderes. Nirahs Hadern, ihre schnippischen Worte, die ungewohnt unbeholfen und ... Oh. Sie machte sich Sorgen. Sein Ausdruck wurde zunehmend weicher, als ihn diese Erkenntnis überkam. „Danke.", erwiderte er aufrichtig. „Für alles." Sie erwiderte irgendetwas darauf, doch es war zu leise, um ihre Worte zu verstehen. Den Weg, den sie einschlug, verriet ihm dennoch klar, dass das Gespräch wohl beendet war. „Schlaf gut...Nirah", verkündete er mit sanfter Stimme und wartete, bis sie hinter der Tür ihrer Hütte verschwand. Lange schaute er mit dem Anflug eines warmen Lächelns in die Dunkelheit, in welcher die Heilerin verschwunden war. Dann seufzte er auf, kraulte Jaspers Nackengefieder und griff zu dem Windtänzer, der neben ihm lag.

Dieses Mal war es nicht die Sonne, die ihn weckte. Noch war es die kühle Morgenluft, die sich zunehmend unter seine Kleidung fraß oder das warme Bündel, welches sachte brummend in seinem Schoß lag. Als Notos erwachte, war das erste, was in sein Sichtfeld kam, die letzten Brocken roter Glut, die unter der Asche des inzwischen erloschenen Lagerfeuer aufglommen. Er spürte die Bank, an die er sich angelehnt hatte, in seinem Rücken. Den Stoff einer Decke, die er wie einen Umhang über sich geworfen hatte. Sein Atem formte dennoch weiße Dampfwolken in die frische, klare Luft, die er nun bewusst in seine Lungen strömen ließ. Je länger er so zusammengekauert dasaß, umso mehr wurde ihm klar, dass es weder die ersehnte Wärme noch die Kälte waren, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatten.

Ein rhythmisches Klackern durchbrach die Stille der Lichtung. Vermischte sich mit gedämpften, klappernden Lauten. Die Melodie war sanft. Unaufdringlich, aber so eingängig, dass sie sich wie ein vertrauter, alter Freund anfühlte. Die Schwermut, die unter seine Haut kroch, verstärkte sich, als Notos die Klänge seiner Heimat wiedererkannte. Sein Blick schweifte halb schlaftrunken zu den Windtänzern, die er gestern aufgehängt hatte. Bis spät in die Nacht hatte er drangesessen. Nur damit er wie versprochen Nirahs Windspiel fertigstellen konnte, bevor er ging. Doch selbst danach hatte er noch lange am Feuer gesessen, hatte wortlos die Flammen angestarrt. Als würden diese ihm eine Antwort liefern können. Weder Kälte noch Jasper hatten ihn in seine Hütte vertreiben können. Wofür gab es wärmende Lagerfeuer und Decken? Er hätte dort sowieso nicht schneller in den Schlaf finden können. Dafür wogen die Gedanken der letzten Tage zu schwer in seinem Kopf. Etwas schwerer vielleicht, als sie sollten. Sein Gefährte hatte irgendwann aufgegeben und war in seinen Schoss geklettert. Irgendwann danach musste wohl auch ihn die Müdigkeit eingeholt haben.

Notos beobachtete noch für eine geraume Zeit die Windtänzern, die ihre vertraute Rhythmen und Melodien sponnen, die er schon seit seiner Kindheit kannte. Er konnte sich erst von ihnen losreißen, als der Wind nachließ und die Klänge verstummten. Seufzend stand er auf, schob dabei einen müden Jasper von sich, der sich protestierend in seine Beine krallte, bevor er nachgab. Der Boden knirschte leise unter seinen Stiefeln, als Notos sich zu seiner Hütte begab. Drinnen begrüßte ihn schummriges Zwielicht – aber er war ohnehin nur gekommen, um die Decke wieder zurückzubringen und seine Waffe zu holen. Machte dabei zeitgleich sicher, dass keine weiteren Kleidungsstücke Opfer von Jaspers Nestbau geworden waren. Tatsächlich wurde er noch fündig. Ein Oberteil hing halb vom Schrank runter. Stellenweise geschmückt mit weichen Federn, aber wenigstens war der Stoff noch intakt.

Keinen Moment später war alles wieder federlos und fein säuberlich gefaltet verstaut. Notos warf der leichten Kleidung einen letzten Blick zu. Sie war zugeben in diesem Gebiet äußerst praktisch. Fast mehr als die Montur seines Ordens, zumindest wenn es um Auffälligkeit ging. Schade, dass er sie nicht mitnehmen konnte. Aber das konnte er schlecht wagen. Nicht nach allem, was hier in diesem Dorf für ihn getan wurde. Sachte den Kopf schüttelnd schloss Notos die Schranktür, ergriff seine Hellebarde und trat ins Freie.

Draußen erwartete ihn ein gähnender Jasper. Notos schmunzelte mitfühlend, als sein Begleiter versuchte, den Schlaf aus seinem Körper zu schütteln. „Es ist früh, ich weiß.", gab er leise von sich. Früher als gestern zumindest. Dennoch eigentlich keine völlig ungewohnte Zeit für sie beide. Sein Partner warf ihm dennoch einen verurteilenden Blick zu. Notos' Mundwinkel zuckten so entschuldigend wie belustigt nach oben, bevor er seinen Weg fortsetzten wollte – nur um vor der Tür einer gewissen anderen Hütte stehen zu bleiben. Die Brauen dich zusammengezogen starrte er diese an. Haderte kurz. Dann zunehmend länger. Unsicher presste er die Lippen aufeinander, hob die Hand zur Türklinke... und ließ den Arm wieder fallen. Sie hatte gestern müde ausgesehen. Ganz zu schweigen davon, dass sie wegen ihm fast eine ganze Nacht voller Schlaf opfern musste. Zumindest jetzt wollte er ihr diesen gönnen. Seine Hand verschwand wieder in seiner Tasche, ertastete dabei den kleinen Gegenstand, der in dieser seit dem gestrigen Abend verborgen war. Ja, das konnte warten.

Die ersten schwachen Sonnenstrahlen, die ihren Weg durch die dichten Blätterkronen und Gebüsche fanden, malten schemenhafte Schatten auf dem Boden, als Notos den Pfad zurück zum Dorf beschritt. Jasper hatte er zu verstehen gegeben, dass er verdeckt bleiben sollte. Am besten, er folgte ihm gar nicht erst. Auch wenn im Dorf noch Stille herrschte. Nur wenige Menschen begegneten ihm auf seinem Weg – selbst wenn dies nur eine Frage der Zeit war. Spätestens nach Sonnenaufgang würden die meisten wohl mit ihrer Arbeit anfangen. Er konnte nur hoffen, dass er bisschen früher als der Rest der Bewohner auf den Beinen war.

Notos steuerte das großen Haus in der Nähe des Dorfplatzes an. Machte halt. Klopfte bestimmt, so wie Nirah es damals getan hatte. Wartete eine geraume Weile, bis er drinnen ein Geräusch zu hören gedachte. Erst dann trat er verhalten ein, den Kopf respektvoll gesenkt. Anduin Weißhaar saß abermals wie am ersten Tag über seinem Tisch gebeugt. Nur, dass dieses Mal keine Kräuter-Sammlung auf diesem ausgebreitet war. Fast machte es denn Anschein, als hätte der Mann jemanden erwartet. Nun, nicht ihn, hoffte er.

Geduldig wartete er ab, bis Nirahs Mentor ihm seine Aufmerksamkeit schenkte. Kein Wort wurde bisher gewechselt, aber Notos erkannte die stumme Aufforderung in dem wachen Blick des Mannes. „Ich werde gehen", verkündete er ohne Umschweife. Er musste keinen Grund für seinen spontanen Aufbruch nennen. Er war wieder genesen. Und sie beide wussten, dass er die Gastfreundschaft des Dorfes nicht weiter überstrapazieren sollte. Somit blieb nur noch eins übrig. Er legte eine Hand auf seine Brust, deutete eine Verbeugung an. „Ich wollte mich nochmal für die Hilfe und Unterkunft bedanken. Ich stehe in eurer Schuld. Wenn ich mich irgendwie erkenntlich zeigen kann, werde ich dies gerne tun. Wenn nicht..." Notos richtete sich auf, betrachtete den alten Mann mit einem ruhigen Lächeln. „Dann wird das hier wohl unser letztes Treffen sein."



Antworten Zuletzt bearbeitet am 26.10.2023 19:00.

Saphyr

26, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 15.10.2023 22:36

Nirah nickte langsam während Notos erklärte. Eine Weile hielt sie ihre Hand vor sich und musterte sie. Als würde das helfen, die verborgenen Magie in sich zu erkennen. Es war und blieb nur eine Hand. Keine Energie, keine Ströme, nichts. Dafür nahm Nirah umso klarer wahr, dass um sie herum alles in Bewegung war. Die Ankunft Sir Jaspers quittierte sie lediglich mit einem schnellen Blick, obwohl es innerlich das Gefühl von vager Erleichterung auslöste. Sicher, die Annäherung galt nicht ihr. Trotzdem war es schön zu sehen, dass der Hunger den Frust überwog.
"Er hat Zugriff darauf, oder?" erkannte sie und deutete mit der Bewegung ihres Kopfes auf Sir Jasper. Das würde den Stromschlag erklären. Die Monster dieser Wälder hatten bisweilen ein Talent, die Umgebungsmagie auf ganz ungewöhnliche Art zu nutzen. Warum sollte Notos' Begleiter nicht auch seine Art der Magie kennen. Auch wenn Sir Jasper ganz gewiss kein Monster war, das war inzwischen mehr als klar. 

"Ich weiß ebenso nicht, warum du nicht die Energieströme um uns herum spüren kannst. Denn eigentlich solltest du es." meinte Nirah müde. Genauso müde, wie Notos wirkte bei dem Thema seiner Blindheit. Er starrte nach unten, verfiel in ein eisernes Schweigen. Sein knappes Nicken war unscheinbar, doch Nirah verstand: Seine Blindheit kam und ging. Es wäre interessant gewesen, zu wissen, ob es Regeln dafür gab. Sie wagte nicht nachzuhaken. Solange es ihn morgen nicht plötzlich überfiel und er keinen Schritt mehr vor den anderen setzen konnte, ohne zu stolpern ...
Notos' scheinbare Verunsicherung war seltsam, ungewohnt. Nirah stieß beinahe ein Seufzen der Erleichterung aus, als er zurück zu seinem üblichen idiotischen Selbst fand. Sie war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich dazu beigetragen hatte oder ob er einfach sehr schnell zwischen Stimmungen wechselte. Ein betrübter, sprachloser Notos war jedenfalls fast noch schlimmer als ein wütender."Taschenspielertricks?" Sie zog kritisch die Augenbrauen zusammen. "Lässt du Dinge hinter den Ohren andere Leute verschwinden?" Kurz hielt sie inne, schmunzelte leicht. "Leuchtende Dinge?"

Seine folgenden Worte erklärten einiges. Deshalb hatte er im Wald, seltsame Andeutungen gemacht, dass er Schmerzen hätte, sie aber nicht spürte. Deshalb hatte er so lange so tun können, als wäre alles in Ordnung, obwohl das dunkle Geflecht an seiner Seite eindeutig etwas anderes verkündet hatte. Deshalb sah er, selbst wenn seine Augen es nicht konnten. Genau vorstellen, wie das funktionierte, konnte sie sich nicht. Dennoch hing es ohne Zweifel zusammen. "Ich verstehe", antwortete sie und konnte ein dumpfes Grollen ihrer Stimme nicht verhindern. "Ich spüre die Umgebungsmagie sehr stark. Mehr als alle in diesem Dorf, nach meinem Mentor vielleicht." murmelte sie plötzlich. "Bei mir gibt es keinen besonderen Grund dafür, das war schon immer so. Ich denke, ich kann zumindest ein bisschen verstehen, wie es sich anfühlt. Auch wenn ich deine Magie nicht kenne."

Dass Notos ihr nicht sofort mitteilte, dass er ihr kein Lehrer sein konnte, ließ sie sich interessiert aufrichten. Vielleicht. Vielleicht könnte sie eine neue Art von Magie lernen, die sonst niemand kannte. Hier zumindest. Direkt darauf fielen ihre Schultern wieder kraftlos herab. "Richtig. Das ist der letzte Abend." Sie hatte alles getan, was sie und diesen drei Tagen hätte tun können, oder nicht? Waren es wirklich drei Tage gewesen? Weder eine Vision noch ihr flüchtiger Verfolger hatten ihr einen Hinweis gegeben, dass ihre Mission erfüllt war. Aber Notos war gesund, fast. Gesund genug, um seine Reise fortzusetzen. Das war ihre Aufgabe gewesen. Wieso kam es ihr vor, als hätte sich rein gar nichts geändert? Fühlte man es nicht deutlich, wenn die heilige Mutter ihre Anerkennung äußerte? 
"Ich kann nichts mehr dagegen einwenden, dass du aufbrichst", sagte sie kühl. "Aber ... hast du überhaupt eine Ahnung, in welche Richtung du gehen musst?" Ihre Stimme klang harscher als zuvor und eine Spur zu hoch. "Du hast doch gar keine Ahnung von diesen Wäldern, Donnerschwinge. Hast keine Ahnung, wie du hier gelandet bist. Was übrigens immernoch keinen Sinn ergibt. Aber ist ja nicht mein Problem, was?" Sie stand abrupt auf. "Nicht mehr." 

Nirah machte ein paar Schritte und hielt dann inne, um sich noch einmal zu Notos umzudrehen. "Pass auf ..." begann sie undeutlich, räusperte sich und seufzte genervt. "Versuch dich nicht zerfleischen zu lassen oder blind in einen Abgrund zu stürzen oder ... so etwas. Ich ... Ich besorge dir etwas Proviant morgen." Damit wandte sie sich endgültig ab und eilte zu ihrer Hütte. Ihr "Gute Nacht." war so hastig und leise, dass er es wahrscheinlich nicht hörte. 
In dem kleinen Schlafzimmer war es sehr still. Ein großer Kontrast zu dem Knistern des Feuers, dem Grillenzirpen und ihren Stimmen. Sie vergrub grob ihr Gesicht im Kissen. Sie sollte nicht so ... Was war sie überhaupt? Eigentlich hätte sie vollauf zufrieden sein müssen. Froh, dass Notos endlich ging. Sie sich nicht mehr um in kümmern musste. Er ihr nicht länger auf die Nerven gehen konnte. Warum gerade jetzt die Erinnerung an den eigenartigen Moment im Wasser wieder klar vor Augen stand, war ihr ein Rätsel. Sogleich folgten viele kleinere Bilder, Bruchstücke aus den vergangenen Tagen. Und es gab keinen Grund dazu, überhaupt keinen. Sie mochte ihn nicht einmal! Zugegeben, er hatte sich als weniger unangenehm herausgestellt, wie befürchtet. Das war alles. Er war trotzdem ein Idiot, in allen Hinsichten. Sie sollte nicht betrübt sein, dass er ging. War sie das, betrübt? 

Ja.
Sie zog die Decke über den Kopf, bei der Erkenntnis. Neben allem, was sie durcheinander gebracht hatte an seinem Verhalten, war sein Auftauchen auch aufregend gewesen. Seine Magie, Sir Jasper. Sein offenkundiges Interesse an ... ihr. Oder eher an allem, was er durch sie erfahren konnte. Ihre Bräuche, ihre Überzeugungen, ihre Fähigkeiten. Seine Leichtigkeit ihr gegenüber. Das war so ungewohnt gewesen und ... es hatte gut getan. Nirah verkrampfte sich und ein einziger gequälter Laut entkam ihr. Sie wickelte die Decke enger um sich, zu schwer atmend und versuchte in den Schlaf zu finden. Ihre Aufgabe war erfüllt und morgen würde sie eine vollwertige Wächterin werden. Darauf konnte sie sich freuen. Bestimmt. Das war wichtiger als alles andere. 



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Zladune

27, Weiblich

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Re: The Headwinds - Handlung

von Zladune am 06.09.2023 00:48

Nirah verhielt sich...anders als sonst. Schon als sie über ihre eigenen Worte stolperte, wurde Notos stutzig. Kurz hob er seinen Kopf, seinen Blick verwundert auf die sonst so schlagfertige Heilerin gerichtet. Und genauso schnell senkte er ihn auch wieder zu Boden. Der kleine Moment hatte auch so ausgereicht, um das pure Entzücken in ihrem Gesicht erkennen zu können. Die beinahe bewundernde Art, wie sie seinen Namen aussprach, gab ihm den Rest. Er zog den Kopf weiter ein, vermied es strengstens, sie erneut anzusehen. Ihre Reaktion fand dennoch einen Weg in seine Gedanken. Es ist ... wunderschön. Notos kämpfte erfolglos die aufkeimende Wärme nieder, die seinen ganzen Körper einzuvernehmen gedachte. Die Tätowierungen, Notos, ermahnte er sich entschieden. Ihre Worten galten lediglich den Tätowierungen.

Es war dennoch nicht einfach, Nirahs kindliche Neugier zu ignorieren. Erst recht nicht, wenn er diese vom ganzen Herzen teilte. Lächelnd lauschte er den lauten Überlegungen der Heilerin. Energie ist Energie. Ein verlockend simpler Gedankengang. Vielleicht mochte dies für diese spezifische Art von Gestein gelten. Und soweit er beurteilen konnte, hörte sich das Prinzip erstaunlich ähnlich an. Ein natürlicher Energiefluss, der umgeleitet werden kann, um etwas Bestimmtes zu bewirken. Nur die Quelle der Energie und wie sie genutzt werden konnte, die waren grundverschieden.

Nirahs enttäuschtes Murren riss ihn aus seinen eigenen Überlegungen und seinen vorherigen Vorsatz vergessen, huschte sein Blick zu ihr – und sofort blitzte ein Bild von einer frustrierten Aryll vor seinem inneren Auge auf. Das warme Schmunzeln überfiel ihn, bevor er es bemerken konnte. Oh, wie gut, dass Aryll nie von dieser fremden Art der Magie erfahren hatte. Sobald sie sich einmal auf eine Sache fixiert hatte, war sie kaum mehr davon abzubringen. Sie hatte immer ähnlich frustriert reagiert, wenn er sie dazu gezwungen hatte, zumindest eine Pause einzulegen. Von diesem Rätsel hier hätte er sie niemals zerren können.
Eine unmittelbare Bewegung von Nirah in Richtung des Kochtopfes ließ das Bild verblassen. Und mit ihm erlosch das warme Leuchten in seinen Augen. Wenngleich nicht gänzlich. Ein weiterer Grund, warum Notos so entschlossen nach einem Messer griff. Ja, sich nun der Zubereitung ihres Abendessens zu widmen würde ihm guttun. Nicht nur seinem Körper.

Nur dass die Stille anfangs nicht half. Eher im Gegenteil. Sie gab Raum für ungewollte Gedanken und weitere Bruchstücken vergangener Gespräche. Notos konnte sich dem Drang nicht erwehren, einen weiteren verstohlenen Blick zu Nirah zu werfen – und sofort erhellte sich seine Miene wieder, als er die blassblauen Blüten bemerkte. Und mit den Blüten kamen die Erinnerungen. Allerdings andere als zuvor. Bilder von einer silbern glitzernden Wasseroberfläche schoben sich in seinen Kopf. Die chaotische Rasselbande und ihre gemeinsame Trainingsstunde. Und natürlich... Notos Blick kreuzte den von Nirah, als er an den so vertraut wirkenden Moment am See zurückdachte. Er verharrte stocksteif in seiner Bewegungen. Hielt ertappt den Atem an, wartete...doch Nirah brach zu seiner Überraschung den Blickkontakt als erste ab. Notos blinzelte verwirrt, bevor auch er verhalten den Kopf abwandte. Nicht jedoch ohne die unruhig flackernde Glut in seinem Inneren gänzlich unterbinden zu können.

Jasper tauchte selbst dann nicht auf, als der verführerische Geruch von Essen schwer in der Luft lag. Die Sturheit des Drachen überwog wohl deutlich seinen Hunger. Nachdem sein Gefährte selbst dann nicht aufgetaucht war, als Nirah ihre Portion bereits halb verschlungen hatte, entschloss sich Notos nach langem Hadern nicht mehr länger zu warten. Er legte dennoch auffordernd eine halb leere Schüssel neben sich, bevor er dazu ansetzte, eine weitere Frage zu beantworten. Seine Mundwinkel zuckten zufrieden nach oben, als nach einer Weile wie zu erwarten der Hauch einer Berührung seine Hand streifte. Notos nickte währenddessen bedächtig auf Nirahs Worte hin: „Genau. Jeder von uns besitzt seinen eigenen, für ihn speziellen inneren Energiestrom. Jedes Wesen tut das. Nicht nur Menschen. Auch Jasper." Wie selbstverständlich streckte er seine Finger aus und begann den federbesetzten Nacken seines Partners zu kraulen – eine Geste, die mit einem leisen Murren quittiert wurde. Ein Geräusch, dass zum Teil davon erstickt wurde, weil der kleine Drache dabei weiterhin seinen Kopf in die Schüssel gesteckt hatte.

„Und ich weiß, dass du diese Energieströme auch besitzt. Du und die Bewohner dieses Dorfes", fuhr Notos fort. Die unerschütterliche Bestimmtheit in seiner Stimme begann zu wanken, als er sich an seine Erkenntnisse erinnerte, die er nicht nur während der Berührung der Heilerin, sondern auch während seiner Trainingsstunde mit seinen drei jungen Schützlingen gewonnen hatte. „Aber ihr scheint keinen Zugriff darauf zu haben. Und ich weiß noch nicht warum."

Im Gegensatz zu Nirah klang Notos nachdenklicher. Er teilte ihre Frustration über dieses scheinbar unlösbare Mysterium nicht. Deutlich eher überwog bei ihm eine überschwängliche Neugier zu dieser unbekannten Art der Magie. Er wollte mehr lernen. Verstehen. Sie vielleicht irgendwann sogar anwenden können. Ein törichter Gedanke. Seine Erfahrungen hätten ihn eigentlich besseres lehren müssen...

Umgehend verdüsterte sich seine Laune, als seine Gedanken zu seiner Blindheit schweiften. Nur einmal hob er nach seinen knappen Erläuterungen den Kopf an. Was vergangen ist, ist vergangen. Mit einem mal wirkte er unendlich müde, obwohl er ihr dabei ein mattes Lächeln schenkte. Wenn es doch nur so einfach wäre.

Eigentlich hatte er gehofft, dass es die Heilerin damit belassen würde. Vermutlich hätte er sie mit einem eisigeren Schweigen gestraft, wenn nicht dieser gewisse Ton in ihrer Stimme gewesen wäre... Sofort lenkte Notos seine Aufmerksamkeit verkrampft auf irgendeinen Punkt am Boden. Die Brauen dicht zusammengezogen, rang er sich ein kurzes Nicken ab, als Nirah nachhakte, ob sein Sehvermögen wechselte. Schlussendlich ließ er mit einem stummen Aufseufzen die Schulter sinken, als er aus dem Blickwinkel ihr Lächeln auffing. Er schluckte befangen. Mehrmals setzte er dazu an, das Wort zu erheben. Jedes Mal unfähig, irgendetwas zu erwidern.

Der letzte Rest seines inneren Widerstandes zerschmolz mit einem einfachen Wort. Schlagartig huschte sein Blick erneut zur Heilerin, als sie sich verhalten bedankte. Blinzelte verwundert. Er kam jedoch nicht mehr dazu, etwas zu sagen. Ob er noch was anderes als Leuchten konnte? Der Anflug eines Grinsens verfing sich in seinem Gesicht, als ihn eine bestimmte Erinnerung überfiel. Oder war eher Nirahs Niedlichkeit daran schuld? Wie dem aus sei, es blieb auf jeden Fall an ihm haften und er gab sich der lockereren Laune hin. „Ich kann noch ein paar andere Kleinigkeiten. Paar Taschenspielertricks." Automatisch fuhr er schmunzelnd über einen unscheinbaren Beutel, den er wieder am Gürtel seiner Montur angebracht hatte. „Aber meine Spezialität ist alles, was mit Leuchten zu tun hat."

Notos haderte lange, bevor er bedachter fortfuhr: „Und ich bin recht gut im Manipulieren der Energieströme. Es... fällt mir leicht, diese zu erspüren und umzulenken. Allein damit kann man vieles tun. Seine Kräfte fokussieren und gezielter einsetzen. Schmerzen zerstreuen. Verhindern, dass sich Gifte zu schnell ausbreiten..." Vielsagend sah er der Heilerin in die Augen. „Meine Blindheit hat mich stärker auf Energieströme sensibilisiert. Auf meine... und auf die von anderen."

Ein wenig hatte ihn Nirahs brennende Neugier für seine Fähigkeiten überrascht. Es wäre wohl normalerweise nichts Verwunderliches, aber bei ihrer bisherigen desinteressierten, abweisenden Art hätte er diesen Wandel nicht vermutet. Noch weniger war er jedoch auf die letzte Frage vorbereitet, welche sie ihm stellte. Verständnislos starrte er sie an. Ob er ihr alles beibringen könnte? Er und ein Mentor? Augenblicklich hörte er wieder Kikis gutmütig spottenden Kommentar. Du bist zu weich, Donnerschwinge.

Noch für einen weiteren Moment betrachtete Notos stumm die Heilerin. Dieselbe Heilerin, die andere Energien spürte, als er es tat. Möglicherweise könnte dies ein vergebliches Unterfangen sein. Erst recht, da er nicht zum Mentor taugte. Aber wenn ihm seine Ausbildung eines beigebracht hatte, dann, dass man niemals aufgeben durfte. Einen Weg fand man immer – selbst wenn dies vielleicht ein kleinerer Umweg wäre, denn andere so nicht nutzten.

Ein nachdenkliches Lächeln schlich sich auf seine Lippen. „Vielleicht. Selbst wenn es deutlich schwerer sein dürfte, wenn du deine Energie nie spüren konntest." Das einzige Problem hier wäre nur... Notos legte entschuldigend den Kopf schief. „Allerdings denke ich nicht, dass ein Abend dafür ausreicht. Oder Tage. Das wäre eindeutig ein längeres Unterfangen. Und die Zeit haben wir wohl nicht zusammen."



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Saphyr

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Re: The Headwinds - Handlung

von Saphyr am 29.08.2023 23:54

Kommentarlos wandte Nirah sich ab und stapfte davon. Sie hörte, wie sich Notos ebenfalls in Bewegung setzte. Mit den Händen voll getrocknetem Pflanzenmaterial kehrte sie kurz darauf zum Feuerplatz zurück. Notos kam mit einem Stapel Holz in den Armen an. Nachdem alles platziert war, hielt Nirah ihm unsicher einen Feuerstein entgegen. Der wurde aber gar nicht beachtet. Sie ließ den Stein sinken und beäugte kritisch Notos ausgestreckte Hand. Dann fiel ihr Blick automatisch auf die Vogel-Tätowierung, über die er strich. Darum ging es also als Erstes. Sie lief an Notos vorbei und stellte sich schräg hinter ihn.


Der andere Vogel mit ausgebreiteten Schwingen auf seinen Rücken war dunkel in der anbrechenden Dämmerung. Und er bedeckte bestimmt die Hälfte der Fläche. Erst geschah nichts. Plötzlich flackerten Flämmchen um die Finger des Kriegers und der Vogel leuchtete auf. Nein, es waren Schwingen, die leuchteten. Sie umrahmten die Konturen des Vogels in einem goldenen Licht und tauchten das restliche Bild in einen sanften Schimmer. Die bunten Schwanzfedern wirkten darunter beinahe mystisch. Nirah wusste nicht, wohin sie zuerst sehen sollte. Mehrmals zuckten ihre Augen zwischen den Funken, die aus dem Nichts aufzutauchen schienen und dem leuchtenden Schauspiel hin und her. Schließlich erhielt jedoch die Tätowierung den Großteil ihrer Aufmerksamkeit. Donnerschwingen, erkannte sie völlig fasziniert. Sie machten seinem Namen alle Ehre.

Viel zu schnell verblassten sie und zurück blieben blieben lediglich die vergleichsweise unscheinbaren Linien eines recht großen Vogels. Notos' schmerzerfülltes Aufatmen ließ sie umgehend die Augenbrauen zusammenziehen, doch es konnte nicht den Ausdruck von Begeisterung aus ihrem Gesicht bannen. Nirah kam ein paar Schritte nach vorne, während Notos zu erklären versuchte, wie er zu seinem Bild gekommen war. Sie überhörte seine Erklärung regelrecht und sah ihm mit unverhohlenem Entzücken ins Gesicht. Ignorierte auch die Tatsache, dass er sie wiederum kaum anblickte. "Es ist.... Ich habe so etwas noch nie ... Wie?" verhedderte sie sich in ihren Worten. "Es ist ... wunderschön." brachte sie schließlich heraus. "Donnerschwinge." Sie lächelte selig und zur Abwechslung klang sein Name aus ihrem Mund einmal nicht wie ein Fluch. Beinahe andächtig sprach sie ihn aus.

Begierig sog sie Notos' Erläuterung auf, wie das Ganze funktionierte. Auch wenn sie diese mehr Fragen aufwarf als sie klärte. Nach und nach wurde ihre Miene nachdenklicher. Edelsteinstaub in der Haut? Der auf Energieströme reagierte? Und wieso sprach er eindeutig und völlig natürlich von anderen Energieströmen als denen, die sie kannte? "Energie ist Energie, oder nicht?" überlegte sie laut. Wenn diese Edelsteine auf Energie reagierten - und Notos nutze eindeutig irgendeine seltsame Art von Energie - wieso dann nicht auch auf die des Heilrituals? Nun, sie war sicherlich keine Expertin für glühende Steine und wenn nicht einmal er eine Antwort wusste ... Enttäuscht murrend quittierte sie die Zwangspause, akzeptierte sie aber. Sie hatte Notos' Reaktion nicht vergessen. Außerdem knurrte ihr Magen.

Zielstrebig nahm der Krieger ein Messer an sich und machte sich an das Gemüse. Es war erstaunlich, dass wie gut sie hier hinten versorgt wurden. Solch ein Übermaß an Essen hatte sie gewöhnlich nicht. Während sie nebeneinander arbeiteten - Nirah kümmerte sich darum, den Topf auszuwaschen, Wasser zu erhitzen, Zutaten hineinzugeben, zu rühren und zu würzen - warf sie immer wieder verstohlene Blicke zu Notos. Das Kochen machte sie mehr nebenbei. Ihre Gedanken drehten sich hauptsächlich um Magie, Tätowierungen und Edelsteine. Bis sie einmal direkt in Notos' Augen schaute, sie beide verharrten und sie ertappt in die andere Richtung blickte. Danach sagte sie ihm zwar mehrmals kurz und knapp, was er ihr zu reichen und wie er zu schneiden hatte, behielt ihre Augen aber woanders. 

Einige Zeit später köchelte das Abendessen köstlich duftend vor sich hin und Nirah hatte zwei Schalen aufgetrieben. Eine davon reichte sie Notos. Sie sah sich auch einmal um, konnte aber Sir Jasper nicht entdecken. Wahrscheinlich war er nach wie vor unzufrieden gestimmt, weil er nass geworden war. Beinahe hastig verschlang sie ihre Portion und brannte immer mehr darauf, dass sie mehr zu hören bekam. Sie runzelte die Stirn als ein Zweig mitgenommen aussehender blauer Blumen in ihre fast leere Schüssel fiel, während sie sich darüber gebeugt hatte. Wann war der denn in ihren Haaren gelandet? Sie hielt den Zweig vors Gesicht und musterte ihn. Das Bild von Notos mit blauen Blumen im Haar blitzte vor ihrem inneren Auge auf. Die Pflanzen sahen sich verdächtig ähnlich, beinahe als stammten sie beide von der Gegend um den See ... 
Schließlich legte sie die Blumen einigermaßen verwirrt neben sich auf die Bank und kam nicht mehr dazu, sich viele Gedanken darüber zu machen, denn Notos hatte sich entschlossen, sein quälendes Schweigen zu brechen.

Langsam nickte sie. "Genau. Sie fließen ständig um uns herum, ganz natürlich. Solange ihr Verlauf nicht absichtlich geändert wird, um etwas Bestimmtes damit zu bewirken" bestätigte sie seine Zusammenfassung. Dass er die Umgebungsmagie nicht wahrnehmen konnte, war nach wie vor eigenartig ungewohnt. War es ihm ihre Erklärung ebenso fremd vorgekommen, wie seine nun ihr? Energiebahnen im Körper, die kontrolliert werden konnten. Irgendwie ergab es Sinn. Warum sollten nicht auch Lebewesen einen Energiefluss besitzen?
"Es klingt tatsächlich sehr ähnlich, ich denke, ich verstehe, was du meinst, aber ..." Ratlosigkeit war klar in ihren Zügen zu erkennen. "Wieso kann ich das nicht spüren? Wenn es so ist, wie du sagst, sollte ich diese Ströme nicht auch besitzen? Jeder von uns." Sie machte eine vage Handbewegung, die das ganze Dorf einschließen sollte. Ob er es ihr wohl beibringen konnte? "Andererseits hattest du auch keine Ahnung von all den anderen Energieströmen." In ihrer Stimme schwang Frustration mit, durch die Erkenntnis, dass dieses Rätsel sich wohl nicht lösen ließ. 

Unvermittelt wechselte Notos das Thema. Sein düsterer Ton brachte sie zum Zögern. "Was vergangen ist, ist vergangen. Du musst mir nichts darüber erzählen. Aber jetzt siehst du." begann sie sanft. "Als ich dich gefunden habe, nicht. Wechselt es ständig vom einen zum anderen? Außerdem ..." Sie lächelte ihn verhalten an. "Anscheinend siehst du auch etwas, wenn du blind bist. Das war es, was mich eigentlich interessiert hat." Schnell strich sie eine Haarsträhne hinters Ohr und fixierte einen Punkt hinter der Feuerstelle. "Entschuldige, es ist nur so ... eigenartig. Ich verstehe es nicht." murmelte sie hastig. 

Sie verstummte, schwieg, räusperte sich. "Danke", brachte sie hervor und verschluckte sie beinahe daran. "Was kannst du noch tun, außer Blitze erzeugen, ein Lagerfeuer machen ... und leuchten?", fragte sie deutlich lauter und versuchte voll überbetontem Enthusiasmus und einem Hauch von echtem Schmunzeln den unangenehmen Moment zu überspielen. "Kannst du es ... mir beibringen?" versuchte sie es sogar hoffnungsvoll. 


Möge das Chaos mit uns sein!
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Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.09.2023 17:31.
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